
Das Hochschulrahmengesetz 1977:
Instrument der Unterdrückung und Anpassung
Im Text erkennt man den Einfluss von vier Semestern Aufenthalt an der marxistischen Kaderschmiede Universität Gießen. Nicht anders wäre es aber an den meisten bundesdeutschen Hochschulen der damaligen Zeit gewesen. Wir sprechen hier von der Fakultät Politikwissenschaft.
Verglichen mit dem immerhin 3 ½ Jahre älteren Text zum Hochschulrahmengesetz (HRG) aus der „Wühlmaus“ folgte der Artikel aus „Student und Gewerkschaft“ derselben Logik, ist aber radikaler und polemischer. Ich war sehr wohl in der Lage, differenzierter und sachlicher zu argumentieren, wie ich es in der zur gleichen Zeit erstellten Zwischenprüfungsarbeit und auch in den normalen Seminararbeiten bewiesen habe, aber hier ging es wohl auch um einen kämpferischen Beitrag in einem weit links stehenden gewerkschaftlichen Organ.
Student und Gewerkschaft 5
November 1977
Die Thematik „Arbeiterbewegung und Hochschulen“, welche mehrmals angesprochen wird, war zeittypisch, da man sich einen entscheidenden Einfluss der Arbeiterbewegung auf die Errichtung des Sozialismus vorstellte. Dass darin ebenfalls eine Instrumentalisierung der Universitäten lag, was von der Seite des Kapitals scharf kritisiert wurde, war mir wahrscheinlich klar – aber es sollte doch für einen ganz anderen, nämlich den „richtigen“ Zweck sein. Einen maßgeblichen Einfluss bestimmter gesellschaftlicher Organisationen auf Lehrinhalte würde ich jetzt kritisch sehen (siehe unten).
Die Karikatur von Rainer Hachfeld auf S. 4 (wahrscheinlich aus dem Berliner Extra-Dienst) habe ich gelöscht, nicht nur, weil wir die Lizenz nicht hatten und ich sie heute natürlich immer noch nicht habe, sondern auch, weil vor allem die Bildlegende so extrem war, dass ich sie im Nachhinein nicht mal aus dokumentarischen Gründen rechtfertigen könnte.
Die im PDF-Dokument fehlenden Seiten 5–8, die auf den konkreten Inhalt einiger durchgängig als „reaktionär“ und „anti-demokratisch“ gebrandmarkten Bestimmungen des HRG eingingen, waren von der Genossin Bärbel W. verfasst. Insgesamt hatte die GEW-Studentengruppe mit diesem Heft einen beachtlichen Beitrag zur Diskussion des HRG an der Universität Gießen geleistet, der sowohl aus politsch-ideologischer Einordnung als auch konkreter Kritik bestand.
Vom Aspekt der Studentenvertretung bleibt nach wie vor richtig, dass es sich bei Studenten um erwachsene Personen handelt und sie deshalb einer vernünftigen Repräsentation und Mitwirkung auf den Universitäten bedürfen. Entscheidenden Zugriff auf die Lehrinhalte sollten Studenten allerdings mangels Erfahrung und Wissen nicht erlangen, vor allem nicht in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern, weil die Gefahr der Radikalisierung und Ideologisierung viel zu groß wäre – ungeachtet der Tatsache, dass diese inzwischen an vielen einschlägigen Fakultäten ohnehin eingetreten sind.
Der heutige betont linke Einfluss des Staates auf die Steuerung der Studieninhalte läuft unter anderem über Stipendien für Doktoranden. Hierfür werden von den zuständigen Gremien politisch motivierte Programme aufgelegt, um die gewünschte Richtung vorzugeben. So liest man seit einigen Jahren bei Promotionsvorhaben in den Gesellschaftswissenschaften kaum noch etwas anderes als Themen, welche die Segnungen von Migration nachweisen sollen (und es natürlich auch eifrig tun), abgesehen von den üblichen Projekten gegen „Rechtsextremismus, -populismus“ usw., für „Gender“-Denken und für die „Große Transformation“. So züchten die links-woken Eliten sich ihren eigenen Nachwuchs heran.
Doch zurück zum Artikel. Der Stil scheint etwas sicherer als bei dem „Wühlmaus“-Text. Das nicht von mir verantwortete Layout mit den zwei Spalten ist für eine DIN-A4-Ausgabe nicht schlecht. Das Druckbild leidet aber unter den dafür zu dünn wiedergegeben Schreibmaschinenbuchstaben und den schlampig, teils schief aufgeklebten Streifen, welche von den Redakteuren mit einer bestimmten Laufweite betippt wurden.
Die kursiven, großen Buchstaben der Titel sehen nach einer Schablone aus. Die ganz fette Schrift auf dem Cover wurde mit Klebebuchstaben gemacht, die von einer Folie abgerubbelt oder gezogen wurden.
„Student und Gewerkschaft“ war das Organ der GEW-Hochschulgruppe Gießen. Man hatte hier Gelegenheit, sich zu engagieren, ohne sich einer der politischen Gruppierungen anzuschließen, die mehr oder weniger stark mit einer Partei verbunden waren wie die damals extrem links stehenden Jungsozialisten (SPD) oder der MSB Spartakus (DKP), die KSO (KBW) usw. Vertreter vor allem der beiden letzten Gruppierungen arbeiteten aber bei uns mit. Die Mehrheit war ungebunden links.
Jour fixe war ein bestimmter Wochentag (Dienstag?), abends 20 Uhr in einem Raum der DGB-Geschäftsstelle in der Bahnhofsstraße. Wie gut ich mich noch daran erinnere. Der Geruch nach alten Möbeln und Bohnerwachs, die in einem Rechteck zusammengestellten Tische, auf denen die ausgearbeiteten Unterlagen zu den nächsten geplanten Aktionen und Veröffentlichungen lagen, das gedämpfte Abendlicht, das durch die großen Fenster hereinströmte oder im Winterhalbjahr die Dunkelheit dort draußen, der Verkehrslärm von der Straße... Die Arbeitsatmosphäre war sehr konzentriert und produktiv und man kam mit sympathischen und gleichgesinnten Menschen zusammen. Nachher ging es in den Credner Keller in der Frankfurter Straße. Ich wohnte nur ein paar Schritte entfernt im Alten Wetzlarer Weg.
Es gibt eine von Herbie R. erstellte, sehr ausdrucksstarke dokumentarische Fotoserie von unseren Treffen, die man vielleicht einem Gewerkschaftsarchiv anbieten sollte. Auch die Titelillustration stammte von Herbie.
22. September 2024
Siehe auch Hochschulrahmengesetz 1973.
Hochgeladen am 22. September 2024.