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Peter Eisenburger

Atomrüstung in Europa 

Entstehung, Struktur und politisch-militärische Problematik der Atomrüstung in Europa

An diesem bis heute (2023) aufwendigsten und anspruchsvollsten Text, den ich verfasst habe, arbeitete ich zwei Jahre: 1981 und 1982. Gleichzeitig war diese Zeit der Höhepunkt der “Friedensbewegung”, die sich gegen die sogenannte “NATO-Nachrüstung” wandte und die größten Massendemonstrationen in der Geschichte der Bundesrepublik auf die Beine stellte.

An diesen beteiligte auch ich mich. Überhaupt war mein ganzes Leben in dieser Zeit geprägt von “Krieg und Frieden”. Ich erreichte – sehr spät, weil meine Einberufung zunächst zurückgestellt worden war – , nach einem Prüfungsverfahren, bei dem ich unter anderem vor einer Kommission des Kreiswehrersatzamtes meinen Antrag persönlich begründen und verteidigen musste, die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus politischen Gründen. Den Zivildienst leistete ich am Psychiatrischen Krankenhaus.

In der Friedensbewegung engagierte ich mich nicht nur durch die Teilnahme an Demonstrationen, von denen mir die große Kundgebung im Bonner Hofgarten am 10. Oktober 1981 mit 300.000 Teilnehmern noch in Erinnerung ist. In der linken Berliner Tageszeitung “Die Neue” verfasste ich einen Artikel über die “Null-Lösung”, den ich später noch hier veröffentlichen werde. Mit Leserbriefen in der Lokalzeitung tat ich meine Ablehnung der NATO-Aufrüstungspolitik kund. Darauf erhielt ich mehrmals brieflich und am Telefon Todesdrohungen.

Vor allem aber wollte ich wissen, was es eigentlich mit dieser “Nachrüstung” auf sich hatte. Wie konnte es kommen, dass wir in diese Situation hineingeraten waren und zum ersten Mal seit der Kuba-Krise von 1962 wieder ernsthaft von atomarer Kriegsgefahr gesprochen wurde? In welcher Situation befanden sich dabei  Europa und insbesondere die Bundesrepublik Deutschland? Nach einer Vorstudie, die ich als wissenschaftliche Hausarbeit zum Abschluss meines Studiums abgegeben hatte, wurde die obige, breiter angelegte Fragestellung von Professor Klaus Fritzsche als Thema meiner Magisterarbeit ausgegeben. Der als streng geltende Gießener Politikwissenschaftler erteilte der nach zwei Jahren eingereichten Arbeit die Note “sehr gut”.

Wie lebte ich in dieser Zeit? Morgens ging ich von meiner Wohnung in der Ludwigstraße rüber in die Universitätsbibliothek, die damals noch in der Bismarckstraße war. Um 9 Uhr fing ich dort an zu arbeiten. Ich hatte mir die Bücher und anderen Druckwerke bestellt, die ich auswertete, auch Kongress-Hearings, die ich aus USA als Microfiche erhielt. Regelmäßig wertete ich in der UB auch die amerikanische Presse aus. Einige Bücher, die ich als grundlegend ansah, erwarb ich selbst. Insgesamt verzeichnet die Arbeit 264 Quellen, davon viele englischsprachig.

Mittags wurde in der alten Mensa gegessen, auch ein Weg, der gut zu Fuß erreichbar war. Ich erinnere mich noch an den steilen Weg die Ludwigstraße hoch, alle vier Jahreszeiten. Links und rechts die Gebäude aus der Gründerzeit, viele mit Universitätsinstituten wie der Psychosomatik unter Horst Eberhard Richter (damals schon mehr eine Legende für uns), der Evangelischen Studentengemeinde – und die herrlichen alten Kastanienbäume. Wie dick und saftig-klebrig im Frühjahr die Knospen waren. Nachmittags arbeitete ich dann zu Hause, wenn ich mich recht entsinne.

Ein Auto hatte ich in dieser Zeit nicht. Ich lebte in Gießen von 1980 bis 1985 ohne Wagen. Es war eigentlich alles in erreichbarer Nähe. Im Sommer fuhr man mit dem Fahrrad zum Schwimmen an den Launsbacher See. Wollte man in eine andere Stadt zu einer Kunstausstellung, nach Frankfurt oder Düsseldorf, nahm man den Zug.

Aus dem Text, der tatsächlich eine eigenständige, gründlich erarbeitete wissenschaftliche Leistung darstellte, hätte mehr entstehen und folgen können. Aber dann kam die riesige Unterbrechung mit 16 Monaten Zivildienst und 18 Monaten Referendariat, dann noch mal 18 Monate Zusatzstudium mit einer erneuten Prüfung. Ich hatte sozusagen “andere Probleme”.

Letztlich waren es auch Thema und Arbeitsgebiet “Friedens- und Konfliktforschung”, mit denen ich mir nicht vorstellen konnte, ein ganzes Berufsleben zu verbringen. Auf Dauer psychisch zu belastend, aber auch zu trocken.

Durch den furchtbaren Ukraine-Krieg hat mein Thema leider neue Aktualität bekommen. Wieder ist es Deutschland, das seinen Platz als Friedensmacht nicht finden kann und will. Wieder ist es Deutschland, das droht, zwischen den großen Militärblöcken zerrieben zu werden. Weitere Kommentare an anderer Stelle.

13. März 2023

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In der Wochenendausgabe vom 11. August 1981 brachte die linke Berliner Tageszeitung “Die Neue” einen (fast) ganzseitigen Artikel von mir zum Thema der sogenannten “Null-Lösung” im Bereich der atomaren Mittelstreckenwaffen in Europa. Der Text beruhte auf einer 1981 erstellten und für die Veröffentlichung aktualisierten Vorstudie zu meiner Magisterarbeit. Der etwas reißerische Titel wurde von der Redaktion der “Neuen” gewählt.

Für die Abbildung habe ich den Kopf von der Titelseite genommen und oben auf die Seite 7 montiert.

Auf der Titelseite sieht man rechts vom Logo den Hinweis auf meinen Artikel, links den Hinweis auf einen Aufsatz des bekannten englischen Militärexperten Anthony Tucker-Jones, übersetzt aus dem “Guardian”.

“Die Neue” war dem links-sozialdemokratischen Spektrum zuzuordnen und erschien von 1978 bis 1982, quasi als Fortsetzung des Berliner Extra-Dienstes und als Konkurrenz zur damals als ultralinks geltenden “tageszeitung (taz)”.

19. Juli 2023

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Hochgeladen am 13. März 2023. Zuletzt editiert am 21. November 2023.