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Peter Eisenburger

Deutsch Klassenarbeiten

Klassenarbeit Deutsch: Ein Mensch, der mir viel bedeutet.
Rosa Luxemburg.

Dieser Text, einer meiner liebsten, ist mir leider abhanden gekommen. (Mal verliehen?) Deshalb kann ich den Entstehungszeitpunkt auch nur schätzen.

Die Aufgabenstellung ist völlig anders als heute im Unterricht. Kein Lehrer käme noch auf die Idee, den Schülern ein solches Thema zu geben. Bei uns oder jedenfalls bei unserem Deutsch- und Sozialkunde-Lehrer Alfons Kuhmann war das hingegen üblich und auch typisch, wie wir noch beim Abituraufsatz sehen werden.

Die Wahl, die getroffen wurde, sagte sehr viel aus über die Persönlichkeit der jeweiligen Schüler. Ich kann mich noch an einige Beispiele erinnern. Die Jungs nannten bedeutende Naturwissenschaftler (wir waren eine mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse) oder auch große Staatsmänner. Bei den Mädchen kam mindestens ein Mal vor: Meine Mutter.

Meine Heldin hingegen war Rosa Luxemburg.

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Ein Mensch, der mir viel bedeutet:
Rosa Luxemburg. 1973.

Ich war um die 17. Jetzt sehe ich Rosa etwas kritischer. Sie war eine Revolutionärin, die Gewalt zur Durchsetzung des Sozialismus nicht ablehnte, ja sogar für notwendig erachtete. Dennoch bleiben ihr Tod und der ihres Genossen Karl Liebknecht eine der grausamsten Episoden der neueren deutschen Geschichte. Die Ermordung politischer Gegner, wie sie von den Freikorps beim Spartakusaufstand im Januar 1919 praktiziert (und von der SPD-Regierung mehr oder weniger in Auftrag gegeben) wurde, zog sich von den Anfangsjahren der Weimarer Republik bis in den Nationalsozialismus als böse Kontinuität.

Besonders tragisch war, dass Rosa den Aufstand nicht befürwortete, da er ihr beim aktuellen politischen Kräfteverhältnis und dem Organisations- und Bewusstseinsstand der Arbeiterklasse aussichtslos erschien. Aus Solidarität schloss sie sich dennoch an, wurde aber bald zusammen mit Karl Liebknecht gefangengenommen.

Über ihre Ermordung werde ich in diesem Aufsatz geschrieben haben, über ihren Kampf gegen Militarismus und gegen den 1. Weltkrieg, vor allem gegen die von der SPD gebilligten Kriegskredite, die diesen erst ermöglichten, über die Lüge des geplanten russischen Angriffs gegen Deutschland, über ihre Verhaftung, aber auch über ihren Kampf gegen die beginnende bolschewistische Diktatur in Russland („Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“). Erwähnt habe ich wahrscheinlich auch ihre berühmt gewordene Alternative: „Sozialismus oder Barbarei!“

Rosa Luxemburg – der Name hatte etwas so Edles – hat mich nie ganz losgelassen.

Fünf Jahre später, im Wintersemester 1977/78, belegte ich an der Universität Gießen bei Professor Klaus Fritzsche (1940–2024) ein Seminar mit dem Thema: „Politische Theorie Rosa Luxemburgs“. Das Thema meines Referates lautete: „Rosa Luxemburgs Auffassung von Spontaneität und Organisation im proletarischen Klassenkampf“. Leider finde ich auch diesen Text nicht mehr.

Es passierte aber rund 35 Jahre später, also so um 2012/13, etwas Eigenartiges und Berührendes. Ich saß in Gießen im Café Geißner und las in einem Buch. An einer Stelle kam der Name „Rosa Luxemburg“ vor. Genau in dem Moment, als ich an dieser Stelle diesen Namen las, ging jemand vorbei. Ich sah hoch. Es war Klaus Fritzsche, unverkennbar, rötlich-blonder, markanter Typ, schlank, hellblaue Augen, kurz geschnittener Vollbart. Ich hatte ihn seit meiner Magisterprüfung im Jahr 1983 nur ein einziges Mal in der Stadt bei Tchibo getroffen, was dann auch schon wieder rund 15 Jahre her war.

Die Begegnung im Café fiel auch in die Jahre, als meine Schüler in der 12.2 im Fach Geschichte (im damaligen Lehrplan „Deutschland zwischen Demokratie und Diktatur“) bei den Präsentationsthemen stets auch folgende Aufgabe zur Wahl vorfanden:

„Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht – warum starben die deutschen Revolutionäre?“

Das Thema war immer schnell vergeben und – soweit ich mich entsinne – in der Darstellung meist auch gut bis sehr gut gelungen. (Ich könnte es tatsächlich in meinen Lehrerkalendern noch für jede einzelne Präsentation nachsehen.)

Dazu schauten wir noch den Film über Rosa Luxemburg aus der famosen ZDF-Reihe „Die Deutschen“. Für die Schüler war der Einsatz des Filmes auch deshalb wichtig, weil er keine trockene Dokumentation darstellte, sondern Anteile aus dem Privatleben von Rosa Luxemburg enthielt, so ihre Beziehung zu Leo Jogiches, ich glaube effektvoll mit noch erhaltenen, aus dem Gefängnis geschriebenen Liebesbriefen und herunterfallenden Rosenblüten illustriert. Nicht alle Schüler kann man mit sozialistischen Revolutionstheorien ansprechen, wie mich im selben Alter...

Was ich damals nicht wusste, obwohl es in einem Familienbuch stand, das bei den Großeltern in einer Vitrine in der „Guten Stube“ sorgfältig aufbewahrt wurde:

Ich hatte eine Urgroßtante, eine Schwester meines Urgroßvaters Karl, die ebenfalls Rosa hieß und früh verstorben ist.

Rosa Zorn.

Peter Eisenburger, 31. August 2025.

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Hochgeladen am 31. August 2025. Zuletzt editiert am 13. September 2025.