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Herbst 2014
Anfang September wiederholt sich das Spiel. Die Meteorologen überschlagen sich förmlich bei ihren Prognosen von ganz sicher kommenden, langanhaltenden, warmen „Spätsommer”-Tagen. Auf den Karten der verschiedenen Wetterdienste wetteifern von einem azurblauen Himmel herunterstrahlende Sonnen miteinander. Tatsächlich aber taucht ein „kleines” Tief aus Südosteuropa auf und bringt viele Wolken sowie einen kalten Ostwind. Und plötzlich droht als Spielverderber auch noch ein „Kaltlufttropfen” von Nordwest. Der kommt zwar erst mal nicht, dafür aber ein kurzer Vorstoß feuchter, gewittriger Luft von Südwest, den die Wetterfrösche ebenfalls nicht auf dem Plan hatten. Schließlich erscheint auch noch ein Adria-Tief in den Modellen... – Könnte es sein, dass diejenigen Wetterdienste am meisten angeklickt werden, die das beste Wetter versprechen?
Es ist tatsächlich drollig, wie die versprochenen “Spätsommer”-Tage nicht etwa zurück- genommen werden, sondern der Buckel auf der Temperaturkurve der nächsten 14 Tage immer weiter nach hinten wandert und auch flacher wird. Nun ist es plötzlich ein Höhentief, das über Deutschland wirbelt und die Rechnung der Wetterfrösche abermals durchkreuzt. Hier in der Mitte kann man noch glücklich sein. Süddeutschland hingegen versinkt im Regen. Und in Nordeutschland darf man sich wie schon seit Juli über eher ungewohnte Sonne freuen.
Am 12. September in der Domstadt Kastanienhagel. Man sieht ältere Menschen, nicht nur den Chronisten der Szene, sich bücken, um die Geschenke der Natur aufzulesen und zu einer herbstlichen Dekoration zu Hause zu verwenden.
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An einem der beiden sehr milden Tage, die uns am ersten September-Wochenende geschenkt werden, morgens dichter Nebel. Es ist der 6. September. Überall treten die Spinnweben der Radnetzspinnen hervor, die man sonst kaum wahrnimmt. Faszinierende Wunderwerke der Natur – wenn man für einen Moment vergisst, welch mörderisches Unwesen sich damit verbindet. Und ja auch ganz typische Anzeichen des Herbstes.
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Ab der Monatsmitte ein paar wenige schöne und warme Tage. Sofort blüht das ganze Leben im Garten wieder auf. Stare fallen unbarmherzig in die beiden Pflaumenbäume ein, an denen in für den eigentlichen Gartennutzer unerreichbaren Höhen noch reichlich überreife Früchte hängen. Der große Admiral ist wieder da und dreht seine Runden. Und zwischen Astern und Sonnenblumen wetteifern zwei Große Kohlweißlinge um die Gunst des Fotografen. Einer der beiden sieht schon etwas mitgenommen aus.
Doch das Glück währt nicht lange. Ein “Tief vor der portugiesischen Küste” schickt Regenwetter, abgelöst von Tiefausläufern aus Norden, die mit einigen Gewittern kommen. Doch die Meteorologen lassen nicht locker. Unablässig gehen die Meldungen über ein bevorstehendes “Monsterhoch” weiter, garniert mit Fotos von in der Sonne lachenden Kindern. Die Bilder stammen allerdings aus einem anderen Jahr...
Dann endlich setzt sich gegen Ende September ein Hoch (mit Schönheitsfehlern) durch, das eineinhalb Wochen halten wird.
Altweibersommer. Naturereignisse am 28. September. Nach einer kühlen Nacht purzeln im kleinen Park die Walnüsse herunter. Konkurrenzlose Ernte, wie sie mir jetzt fast jedes Jahr gelingt. – Nachmittags am Weg neben an der Kuhweide ein Kleiner Feuerfalter. Ganz typisch die Jahreszeit, in der man diese so hübschen, rot-schwarzen Schmetterlinge alle paar Jahre mal beobachten kann. Und mal ohne Kamera und Makro-Objektiv auch ein ganz anderer Eindruck. Klein, fast winzig, bewegt der Falter sich über die Rainfarn-Blüten und taucht seinen ganz feinen Rüssel in die schmalen Blütenöffnungen des gelben Korbblüters. – Abends unten am Feld. Nochmals sehr milde Luft unter einem milchigen Himmel mit grauen Wolkenschlieren. Die ersten Kraniche ziehen.
Auch am nächsten Morgen wieder im Park beim Walnussbaum. Erfolg mit überreichlicher Ernte, so dass die Papiertüte kurz davor ist zu bersten. In früheren Jahren waren die türkischen Kinder noch schwer hinter den Walnüssen her, so dass ich manchmal leer ausging. Jetzt haben sich die eingewanderten Kinder scheinbar assimiliert und kaufen eher, als dass sie sammeln.
Im Garten werden aus dem einen Admiral zwei und aus den zwei Großen Kohlweißlingen drei. Und was huscht hinten in der Ecke durch den Zaun ins Gebüsch? Das sah doch wie ein Zaunkönig aus, den ich vorher hier noch gar nicht beobachten konnte.
Das Wetter ist in diesen Tagen so gut und mit um die 20° Grad angenehm warm, dass am neuen Nationalfeiertag endlich der Fotoausflug auf die Bundesfestung und ans Rheinufer in den neu entdeckten Garten von Gretchen durchgeführt werden kann.
Dann naht von Westen ein gigantischer Tiefdruckausläufer. Und exakt zu Vollmond am 7. Oktober setzt teils heftiger, anhaltender Regen ein. Die Herbstastern haben danach ihre besten Tage definitiv gesehen.
Es folgt eine längere wechselhafte, aber für die Jahreszeit ungewöhnlich milde Witterungsphase mit teils nassen, teils aber auch freundlichen Abschnitten. Denn ein gewaltiges Tiefdrucksystem über dem Atlantik pumpt feucht-warme Luftmassen aus Südsüdwest nach Deutschland. Die Meteorologen sprechen von einer “gestörten Zirkulation”.
Bevor der Nebel anhebt, gibt es an den schönen Tagen dieser Periode Gelegenheit, schöne und klare Sternenhimmel zu bewundern. Das Sternbild Orion sehr hell in südlicher Richtung.
Am 19. Oktober ein letzter, warmer Lufthauch. Bei der Rückfahrt von meinen Flüssen durch’s Taunusgebirge fällt auf, wie unansehnlich unser einstmals schönes Land wird. Sich an den Straßen entlangfressende, in allen chaotischen Formen und Stilen zusammengesetzte Gewerbegebiete, auch in den Dörfern sich mit Solarpanelen abstoßend schwarz färbende Dächer und überall immer noch sich vermehrende, im Wind wie wild zuckende hässliche Metallblätter von Kraftwerken, die die armen Höhenzüge im wahrsten Wortsinne malträtieren und bald auch in den Niederungen hochgezogen werden sollen. Schönheit der Natur wird zunehmend nur noch auf Bildschirmen bewundert, die die Menschen jetzt auch vor sich halten, oder auf Auslandsurlaub.
Welche Wohltat am 21. Oktober am Main, wo am Vormittag ein letzter Nachhall der Oktoberwärme in einem Innenhof eines Gebäudes verharrte, das sich der Pflege der Bildhauerkunst widmet und in einer Ausstellung in berührender Weise unter Beweis stellte.
Es folgt ein kurzer, aber heftiger Wettersturz, der in ruhiges und normales, vergleichsweise mildes Herbstwetter übergeht. Kraniche haben diese Phase abgewartet und ziehen am 24. Oktober. In der Folgezeit bleibt es bis Anfang November mild, aber meistens trüb. Die Sonne kommt nur selten heraus. Zur Rettung gibt es aber wieder das imposante und von einem blauen Himmel überspannte Ahrtal.
Der November bringt dann überwiegend ruhiges, herbstliches Wetter.
Am 23. November nochmals Kranich-Flug. Ein extrem tief fliegender Schwarm, wahrscheinlich aufgrund der kühlen, hochreichenden Luftmasssen. Da es auch noch recht hell und klar ist, kann man sogar die Färbung der Vögel sehen.
Ende des Monats wird es vorübergehend kälter.
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