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Frühling 2014
Der März beginnt mild, sonnig und vorfrühlingshaft. Die von den Meteorologen euphorisch verkündeten Spitzenwerte werden zwar hier am Rande des Limburger Beckens nicht erreicht. – Dennoch kann man früher als in den meisten anderen Jahren mit den Gartenarbeiten beginnen. Die Schneeglöckchen sind schon länger da. Die Tulpen treiben stark, dieses Jahr ungewöhnlicherweise vor den Narzissen. Am 8. März der erste Schmetterling. Ein Kleiner Fuchs .
Der beste Tag dieser Phase ist der 9. März, ein Sonntag. Eben noch bedrückender, dunkler Februar, wird man regelrecht hineinkatapultiert in eine frühlingshafte Wärme und Helligkeit. Nachmittags eine Entdeckung: die Oranienstadt mit einem nicht erwarteten, in ruhiger, einladender Stimmung liegenden Alten Markt. Sofort ein Gefühl wie zu Hause. Weil es über Jahrhunderte die Hauptstadt war? Am Fluss sonnt sich die halbe Stadt. – Abends erstmals wieder ein bisschen die Abendstimmung im Garten. Die verebbenden Geräusche des Tages, das leise schwindende Licht. Im Hof wiegen sich die Blätter der einen Hanfpalme, die den ganzen Winter nicht drin war, im Abendwind. Aber bevor der Große Wagen richtig vorfährt, wird es doch zu kalt. – Am nächsten Abend ist die Fledermaus das erste Mal wieder da.
Zur Monatsmitte, es wird Vollmond, ziehen von Nordwesten Tiefausläufer herein und beenden den vorgezogenen Mai...
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”Es ist ein Drängen und Werden.”
Aufblühende Veilchen und Aufgang des Vollmonds am 16. März um 20 Uhr 20.
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Am 16. März fliegen Kraniche, haben sich aber einen windigen Tag ausgesucht. Oder können sie wie Segelschiffe Seitenwind ausnutzen? Der Wind kommt nämlich genau von Westen und sie fliegen nach Nordosten. –
Der extrem milde “Winter” hat natürlich nichts mit der angeblichen Klimaveränderung zu tun hat, sondern mit der außergewöhnlichen Lage eines riesigen Tiefdruckwirbels südlich vom Nordpol. Darum wurde Europa mit äußerst milden Luftmassen geflutet, Nordamerika hingegen mit bitter kalten. Die Folgen der milden Witterung bei uns kann man aber im Garten sehen, nicht nur an der sehr früh einsetzenden Vegetationsperiode. Die Feige ist diesmal nicht zurückgefroren und wird deshalb voraussichtlich im Spätsommer die von mir so geliebten Früchte tragen. Das kommt nur ein bis zwei Mal in zehn Jahren vor.
Am 20. März nochmals ein fast sommerlicher Tag, an dem ich auch den Hausrotschwanz wieder im Hof entdecke. Rotschwänze sind Zugvögel. Deshalb ist davon auszugehen, dass es derselbe Vogel ist. Den warmen süd-südwestlichen Wind an diesem Tag hat er genutzt, um zu seinem Anwesen zurückzukehren. Wenn man bedenkt, dass zum Beispiel Kraniche oder Stare in riesigen Schwärmen ziehen, dieser Vogel hier jedoch vom Mittelmeergebiet über die Alpen und ganz Süddeutschland in seinen Garten zurückfindet. Was für eine Leistung! Und wie schön, den gefiederten Gesellen wiederzusehen!
Ende März wird es sehr hell und klar. Richtig angenehm ist es zunächst bei dem kalten und böigen Ostwind aber nicht. Zum Monatswechsel hin legt sich der Wind ein wenig und bei starker Sonneneinstrahlung wird es etwas wärmer.
Sonntags morgens eine Weile im Garten. Nur um diese Zeit ist es auf dem Dorf noch so ruhig wie früher. Keine allseits dröhnenden Motoren und kaum Autos. In annähernder Windstille nur ein angenehmes Summen von Insekten und ein lebhaftes Zwitschern von Vögeln treten jetzt im Bewusstsein hervor. Es dauert dann ein paar Sekunden und nur wenn man darauf achtet, bis man die Geräusche weiter differenzieren kann. Am Boden an den schon kräftig blühenden Lungenblumen Hummeln in verschiedenen Frequenz- lagen (letztes Jahr im Sommer habe ich den Versuch, die alleine in meinem Garten schier unendlich vielen Hummelarten zu bestimmen, aufgegeben) und oben in den Lüften, in den Bäumen und Sträuchern mehrere Vogelarten in verschiedener Entfernung. Mir fällt ein, wie ich als Kind den Opa bewundert habe, weil er beim Spaziergang am Wald entlang die Vögel nur nach ihrem Ruf genau auseinanderhalten konnte. – Es ist Neumond. Über Tag kommt endlich die Südluft an. Aber der Himmel wird nicht mehr vom trockenen Ostwind blitzblank und strahlend blau geweht, verändert auch sein Ausssehen zu milchig-trüb. Abends ist es jetzt richtig hochfrühlingshaft mild.
Hmmhh... Der Bergahorn, der sich vor Jahren vom Nachbarsgrundstück (Alte Schmiede) selbst ausgesät hat, wird etwas mächtig. Aber ich bringe es vorerst nicht über mich, ihn zu fällen. Wenn ich die Blaumeischen in den jetzt blühenden Zweigen hängen sehe... Und der Baum balanciert den Garten auch aus. Aber der eine Ast...
Der Gang zum Speicher endet im Entsetzen... Wie ist denn nur das Amsel-Weibchen dahin gekommen? Das Speicherfenster war doch dieses Jahr noch nie auf... Es muss unter dem Dach irgendwo einen Durchschlupf von draußen geben. Die Nächte waren noch frostig, und so wurde der wärmende Unterschlupf zur tödlichen Falle... Wäre ich doch nur ein bisschen früher gekommen! Der Körper war noch weich... Immer Tod, immer Sterben... – Ich muss künftig jeden Tag oben kontrollieren.
Bereits am 4. April ist der Kirschbaum voll erblüht.
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Hoffentlich haben unten am Feld die beiden alten, markanten Birnbäume keinen Schlag abbekommen. Letztes Jahr blüten sie noch überschwenglich. Und nun nur noch ein paar kümmerliche Blüten und auch nicht mehr so sattes Laub, zwischen den verdorrte Zweige zum Vorschein kommen. Es wäre ein Verlust für das ganze Landschaftsbild da am Hang. Und dann blieben auf dem Feld auch keine Ähren mehr an den Stämmen entlang stehen, die man schneiden und ins Elsass bringen könnte... –
Im weiteren Verlauf wird der April doch zunehmend ein bisschen frisch und zeigt seine typische, unbeständige Seite.
Mitte der Karwoche flutet eisige und trockene Nordluft unsere Gefilde. In den Morgenstunden des 16. April treffen die machtvollen Strahlen der aufgegangenen Sonne fast horizontal in die blühende Landschaft. Es herrscht ein gleißendes und brilliantes Licht. Die frischen Frühlings- farben leuchten in der kalten Luft in selten gesehener Klarheit und Intensität, Glücksgefühle verursachend, aber in für die photosensitiven Augen dieses Betrachters fast schmerzlicher Kraft. Das Licht wird genutzt für eine Photoexkursion in die alte orangistische Hauptstadt.
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Über Ostern dreht sich das Wetter und es werden uns ein paar warme Frühlingstage geschenkt.
21. April. Bei der Rückkehr von der oranien-nassauischen Hauptstadt treten gleichzeitig Sonne und Regen auf, illuminieren die Landschaft in traumhafter Weise und lassen mich mitten in den Regenbogen hinein fahren. Am Abend steigt der FC auf.
Nein, wie herzallerliebst sind doch die kleinen Blaumeischen. Da ist eins direkt vor mir und über mir, wie es in dem Kirschbaum kopfüber kopfunter herumschreit und hüpft. Freudig und unablässig macht es tsiiiep, tsip tsip tsiep. Und wie es in der Rinde herum- hackt, ja nach kleinen Spinnchen suchend! Die soll es ruhig fressen, die bösen Spinnen! – Ich mag die zierlicheren Blaumeisen doch mehr als die etwas klobigeren und auch nicht so hübsch gezeichneteren Kohlmeisen.
Zwei frühsommerliche Wochen sind dies. Und die einzigen für länger?
Auf dem Plateau. Ein Stück weit in die Birkenallee hinein, am Teich vorbei. Wenn man innehält... Keine Autos, keine Motoren, für Minuten gar kein Lärm. Die Sonne lacht und der Wind geht in den Zweigen. Erinnerungen an die Sommer am Höhenblick. (Aber damals waren nicht so viele Flugzeuge. Wie weit muss man fahren, bis es mal ganz ruhig wird, vielleicht sogar über Stunden hinweg? Bis nach Alaska? Oder auf den Mond? Und die herbeigesehnte Ruhe hatten noch vor 200 Jahren praktisch alle Menschen in Deutschland...)
1. Mai. Ein weiterer meiner Wege. Die lange Lindenallee in dieser fränkischen Stadt am Main. In den letzten Jahren sonn- und feiertags manchmal recht bevölkert. Aber dieses Jahr wandele ich meinen Stimmungen nachhängend ganz, ganz alleine und ganz ruhig in einem lang anhaltenden Gewitterregen. In der Mitte der mehrere Kilometer langen Allee blicke ich zurück zum Eingang beim Park, wo es Weißwürste, Bier und eine Musikband gibt, und schaue in der anderen Richtung ungehindert Richtung Stadt, bis zum Ende des Weges. Und sehe ich da ganz vorne nicht einen Hundebesitzer und seinen Schnauzer-Terrier- Mischling? Höre ich nicht ein “Henry, lauf nicht so weit vor!” Hmhh... Aber dieses Jahr wird der Mann seinen Hund Henry nicht über die Mainbrücke tragen müssen, wie er es an dem Tag vor 15 Jahren machte, als der glühend heiße Asphalt seinem Vierbeiner die Ballen an den Pfoten zu versengen drohte. -
Am 5. Mai schneide ich die erste Rose.
7. Mai. Dräuende, mächtige, manchmal von Halos begleitete, bis zum Bersten mit Feuchtigkeit gefüllte Wolkenungetüme ziehen vorüber.
Noch länger verbleibt der Mai wechselhaft und frisch bis kalt. – Die 14-Tage-Prognose der Wetterfrösche. 25° Celsius? So warm kann es doch in Deutschland gar nicht werden?
Aber tatsächlich findet mit dem Vollmond zur Monatsmitte eine grundlegende Umstellung der Wetterlage statt. Zum 16. Mai reißt der Himmel auf und strahlende Sonne kommt hervor. Es herrscht zwar noch ein nördlicher Wind, den man aber bei der hohen Sonneneinstrahlung kaum noch als störend wahrnimmt. Und plötzlich ist alles wieder da. An der monethaft mit leuchtenden Tupfern in allen Farben bedeckten und mit dem Schattenspiel der Apfelbäume überzogenen Wiese am Weg, an der ich mich schon so oft erfreut habe, tauchen die ersten Schmetterlinge auf, auch mehrere Bläulinge. Im Garten gehen immer mehr Rosen auf.
Und da sind sie: die Schwalben! Und gleich in einer erklecklichen Anzahl. Die geliebte große Washingtonia kommt raus. Oh, welche Wohltat, wie der kühle Abendwind ihre so groß gewordenen Fächer umspielt und sie sich genießerisch wiegen lässt... Und wenn erst die Gewitterschauer kommen, die sie so genießt!
Dann kommt warme Südluft, aber mit ihr auch ein leichter Hang zur Instabilität. Immerhin eine schon richtig sommerliche Woche ist dabei. –
In diesen Tagen setzt auch eine ganz bezaubernde Rosenblüte ein. Zahl- reiche aparte und gesunde Blüten, zartes grünes Blattwerk ohne Pilzerkrankungen, kaum Insekten- schädlinge. Vielleicht auch, weil ich rechtzeitig, noch während des Aus- triebs, gegen Pilzkrankheiten gespritzt habe? Gegen die Insekten jedenfalls wird stellenweise, wo sich was andeuet, ebenfalls vorgegangen.
Gegen Ende Mai wird es zunehmend ungemütlich. Äste und Zweige der Pflanzenwelt neigen sich unter dem Gewicht des unablässig fallenden Regens. Am 27. Mai sehe ich einen riesigen abgebrochenen Hauptast des Kirschenbaums. Und ich weiß, es wird etwas passieren. –
“Menschen und Gestirnen zum Trotz.”
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