Das große Ereignis des Jahres 1990 war natürlich die “deutsche Wiedervereinigung”. Was so schön klingt, war tatsächlich die Unterwerfung eines Staates unter einen anderen. Es war einmal so gedacht und auch in der Präambel des Grundgesetzes festgelegt, dass dieses (deshalb hieß es auch nicht “Verfassung”) nur für eine “Übergangszeit” galt, bis das deutsche Volk “in freier Selbstbestimmung” seine “Einheit und Freiheit” wiederherstellt und “vollendet”. Das bedeutete: mit gesamtdeutschen Wahlen zu einer Verfassungsgebenden Versammlung, die eine neue Konstitution erarbeiten sollte. Dazu kam es nicht, weil die DDR ohne irgendwelche Abstriche das System der BRD übernehmen musste, also auf Deutsch: plattgemacht wurde. Die Identität der DDR-Bürger, ihre Geschichte, ihre Kultur: hinweggefegt. Was das für die DDR-Buchindustrie bedeutete, exemplarisch für alle anderen Branchen, wurde hier auf diesen Seiten im Jahresbericht 1989 beschrieben.
Welch ungeheurer Machtzuwachs dieser Vorgang für die nun gesamtdeutsche politische Klasse brachte, in die genügend willige, gewendete DDR-Politiker aufgenommen wurden, würde man 30 Jahre später im drakonischen Vorgehen des Staatsapparates während der Corona-Krise bemerken.
Das Ende der DDR und ihre Integration in den kapitalistischen westlichen Block hatte schwerwiegende wirtschaftliche Auswirkungen auch auf den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) und insbesondere die Sowjetunion, deren Zerfall 1990 begann.
In Südafrika endete die Apartheid. Die Hoffnungen, die sich damit verbanden, erfüllten sich jedoch langfristig nicht.
In der Welt des Sports ist erwähnenswert, dass die deutsche Fußballnationalmannschaft beim Turnier in Rom zum dritten Mal nach 1956 und 1974 Weltmeister wurde. Die deutsche Elf gewann das Finale mit 1:0 gegen Argentinien.
Die schönsten deutschen Bücher 1990
Der Chronist verzichtet darauf, die – wie nicht anders zu erwarten – ausführlichen Betrachtungen zum Zusammenschluss der beiden bisher getrennten Wettbewerbe der schönsten deutschen Bücher zu referieren. Entgegen den schönen Worten der Sieger war es natürlich keine irgendwie geartete „Einigung“ oder Vereinigung und auch nicht zum beiderseitigen Vorteil, sondern eine bedingungslose Übernahme des DDR-Wettbewerbes durch die Stiftung Buchkunst, Frankfurt, so wie des ganzen Staates DDR durch die BRD.
Immer wieder wird hervorgehoben, dass die Stiftung großzügig und respektvoll in Leipzig eine Dependance eröffnete. Man hätte gerne die Größenvergleiche gesehen an Fläche, Mitarbeiter etc.
Aber auch die nackten Zahlen des neuen Wettbewerbes waren aussagekräftig genug. Von zwölf Jurymitgliedern kamen neun aus der Alt-BRD, zwei aus der ehemaligen DDR und ein Gast aus Großbritannien. Von acht Mitgliedern der Vorjury kamen alle aus den „alten Bundesländern”, wie es jetzt hieß.
Bei den Verlagen, die in der DDR ja im Prinzip noch fast das ganze Jahr existiert hatten, sah es ähnlich verheerend aus. Von den 555 eingereichten Werken wurden 44 Preisträger ausgewählt. Nur zwei davon kamen aus der ehemaligen DDR, und zwar aus Mini-Verlagen bzw. „Pressen”. Die vielen renommierten und traditionsreichen Verlage der DDR waren wie ausgelöscht – und in den meisten Fällen nicht nur „wie”.
Eifrig war man bemüht, immer wieder neue Bewertungsbögen zu entwerfen. Der letzte Fragebogen wurde erst 1987 eingeführt, jetzt gab es einen neuen, der aber – wie bereits angekündigt wurde – für das nächste Jahr erneut verändert werden sollte.
Endlich wurden die Bewertungen der Jury öffentlich gemacht, aber doch auch nur bedingt und für sehr kurze Zeit. Es heißt, alle eingereichten Bücher seien auf der Frankfurter Buchmesse mit den ausgefüllten Beurteilungsbögen ausgelegt worden. Ob wirklich alle diese 555 Bücher ausgelegt wurden? Gleichzeitig? Unter welchen Bedingungen waren sie einzusehen? Der Chronist jedenfalls, in jenen Jahren regelmäßiger Besucher der Buchmesse, hat dieses Geschehen nicht registriert. Damit soll die Aussage aber nicht grundsätzlich angezweifelt werden. Eine kurze Form der Beurteilung im Katalog unterblieb nach wie vor.
Zum Heft. Das eigenartige Gebilde, das sich über Vor- und Rückseite des Einbandes zieht, könnte der Grundriss eines Museums sein. Wer weiß das schon? Oder die schematisierten Umrisse des „geeinten” Deutschlands (West und Ost in generöser Weise gleich groß abgebildet), das von den beiden flachen Rechtecken in der Mitte, welche die zwei Standorte der Stiftung Buchkunst, Frankfurt und Leipzig, symbolisieren sollen und Büchern in seitlicher Aufsicht gleichen, zusammengeschweißt wird. Wie pathetisch.
Bei den Preisträgern ist es schwer, irgendwelche Trends herauszukristallisieren, zu breit gestreut ist die Auswahl. Lustig mutet es an, wie eine rororo-Publikation bereits 1990 den „Verkehrsinfarkt” ausrief, leider typisch für den Alarmismus der Öko-Bewegung.
Deutsche Werbefotografie 1925–1988
Die Mängel dieses Buches sind bei allem Genuss, den es bereitet, enorm.
Es ist schwierig, Plakate auf einer Seite “kreativ” anzuordnen. Das wird den Gestaltern einiges Kopfzerbrechen bereitet haben. Gottseidank entschied man sich in der Hinsicht gegen irgendwelche Experimente und für eine ganz ruhige, gleichmäßige Verteilung von kleineren Rechtecken (Reproduktionen von Annoncen und Plakaten) auf einem größeren Rechteck (Buchseite).
Man kam aber auf die Ver-rücktheit, die Bildlegenden beider Seiten weit in die Buchmitte zu rücken, so dass sie teilweise im Mittelfalz schlecht zu lesen sind und man das Buch fast auseinanderbrechen muss.
Warum man für die Titelillustration (hinter dem Fenster des Umschlages) die mit Abstand hässlichste und auch kaum erkennbare Aufnahme verwendete, bleibt ein Geheimnis.
Es ist aber herrlich, in diesem Buch zu blättern. Man kann so richtig schwelgen in den guten alten Zeiten. Toll ist es zum Beispiel, viele alte Marken und Slogans wiederzuentdecken. Frappierend allerdings, wie massiv die Werbung für Tabak und Alkohol war.
Sehr aufschlussreich auch, wie zum Beispiel ein Produkt ganz einfach mit geschickter Werbung und viel Geld in den Markt gedrückt wurde. “Jil Sander” markierte um 1980 den Aufstieg der Modeparfums, die in wenigen Jahren den Markt eroberten. Es wurden nur die Flacons, der Namen des Duftes (z. B. “Woman” oder “Man”) und der Name der angeblichen Schöpferin des Duftes abgebildet. Die Schrift in fetten, modern wirkenden Großbuchstaben.
Einige Annoncen zeigten nur ein schwarz-weißes Portraitfoto der Hamburger Unternehmerin, weich und leicht überbelichtet, ein etwas herb aussehender Typ mit in der Stirn zurückgekämmtem Haar. Die Frau schaut einen direkt und selbstbewusst an und verkörpert offenbar das neue Bild der neuen, erfolgreichen Frau.
Überhaupt veränderten sich in den 80ern die Bilder der Geschlechter. Das ewige “Sex sells” blieb. Aber die Männer wurden jetzt “härter”, muskulöser, fuhren schwarze Porsches. Als Frauen traten keine langhaarigen Blondinen mehr auf (außer Jil Sander, aber die war natürlich in anderen Sphären - und wer weiß, in Wirklichkeit vielleicht gar nicht so sexy), sondern kurz- und scharzhaarige, sportliche, teils auch schon muskelbepackte Frauen (Martini, S. 100).
Die sexuellen Anspielungen wurden offenkundiger, fast obszön. In einer unmöglichen “Levi’s” Werbung aus dem Jahr 1986 (S. 103) liegt eine Frau bereit zum GV schon auf dem Rücken quer über die Vordersitze eines Wagens ausgestreckt, während der Mann sich gerade noch die Haare richtet. Weil er noch Arbeit hat (der Frau den Rock herunterzuziehen), ist er als Industriearbeiter eingekleidet, mit knallengen schwarzen Jeans und einem schwarzen T-Shirt.
Raymond Loewy. Pionier des Amerikanischen Industrie-Designs.
Raymond Loewy war durch seine Gestaltung allgegenwärtig. Jeder, der im 20. Jahrhunderts gelebt hat, ist mit ihm praktisch aufgewachsen und sein Geschmack von ihm geprägt.
Das Buch an sich ist nichts Besonderes, aber solide gemacht. Der Einband und die geschmückten Vorsatzblätter gefallen. Das dreispaltige Layout passt sich geschickt an die sehr zahlreichen, unterschiedlich großen Abbildungen an, wirkt aber auch etwas unruhig.
Geh und spiel mit dem Riesen. Jahrbuch der Kinderliteratur.
Beltz & Gelberg verstand sich als progressiv. 1971 hatte der Verlag ein „Erstes Jahrbuch der Kinderliteratur” herausgebracht. Bei Art und Länge der Beiträge hätte es eigentlich heißen müssen „Kinder- und Jugendliteratur”. Das Buch hatte einen Umfang von 350 Seiten und war recht textlastig, insgesamt wohl mehr etwas für Literaturwissenschaftler und Bibliothekare. Es gab auch nur wenige farbige Illustrationen. Von der Stiftung Buchkunst wurde es links liegengelassen, erhielt aber einen der Deutschen Jugendbuchpreise 1972.
Das Buch war fest gebunden. In den folgenden Jahren erfuhr es mehrere unveränderte Neuauflagen, verlor dadurch aber seinen Charakter als „Jahrbuch”, der ohnehin fragwürdig gewesen war.
1990 brachte der Verlag *dasselbe* Buch in gekürzter Form wieder als „Jahrbuch der Kinderliteratur” (auf der Titelei gar „1. Jahrbuch der Kinderliteratur”) heraus, diesmal als Taschenbuch. Nicht nur viele Texte wurden weggelassen, sondern auch fast alle Farbillustrationen außer einer einzigen auf S. 5. Das Buch war aber nur wenige Mark billiger als die Hardcover-Ausgabe.
Der Verlag ging in seiner zweifelhaften Bewerbung dieses Produktes soweit, auf der Rückseite die ursprüngliche Rezension der FAZ zu zitieren, ohne natürlich deren Erscheinungsjahr 1971 zu nennen. Man hatte auch keine Hemmungen, den „Deutschen Jugendbuchpreis” auf dem Einband zu vermerken – auch hier verschwieg man, dass es 20 Jahre her war und beging damit eine bewusste Irreführung der Käufer.
Besonders traurig ist es, die Ansprüche des Verlages mit seiner eigenen Geschäftspolitik zu vergleichen. Im Nachwort der Erstauflage hatte Hans-Joachim Gelberg noch vollmundig verlautbart, man wolle mit dieser Veröffentlichung die Kinderliteratur endlich auf den aktuellen Stand bringen, den „die Literatur der letzten Jahrzehnte” erreicht hätte – und in den nächsten zwei Jahrzehnten passierte nichts mehr „in der Literatur”? Jetzt war es wohl eher der Geschäftssinn von Beltz & Gelberg, der sich verändert (?) hatte.
Noch trauriger und eine der vielen Absonderlichkeiten des Wettbewerbes war es, die minimalisierte Taschenbuchversion eines 20 Jahre alten, damals ansehnlichen, gebundenen Werkes zu einem der „schönsten deutschen Bücher” zu machen. Wer konnte das noch ernst nehmen?
Lobende Erwähnungen
Gerhard Fischer
daedalus. Die Erfindung der Gegenwart.
Inhalt und Form dieses Bandes sind schwer verdaulich.
Es fängt schon damit an, dass man sich aus Textstellen des Buches und über das Internet mühsam zusammensuchen muss, worum es überhaupt geht.
Offenbar hat der Österreicher Gerhard Fischer im Laufe von einigen Jahren in Wien unter dem Namen „daedalus” eine Reihe von „postmodernen” und „poststrukturalistischen” Lesungen, Ausstellungen sowie anderen „Projekten” und „Produktionen” organisiert. Einen Überblick darüber gab eine Ausstellung, die Ende 1990 in drei Wiener Museen gezeigt wurde.
Es ist also ein rein österreichisches Projekt, dessen Katalog aber vom Frankfurter Verlag Stroemfeld / Roter Stern herausgebracht wurde.
Das Buch ähnelt in der Machart in vielem *Georg Büchner*, auch was die Wertigkeit der Materialien anbetrifft. Entsprechend wurden für jedes der gedruckten 4000 Exemplare auch satte 68,00 DM verlangt. Heute (2021) bekommt man neuwertige Exemplare auf dem antiquarischen Markt für wenige Euro nachgeworfen, was viel über die Bedeutung des Werkes aussagt. Auch dem Chronisten lohnt der Platz im Bücherregal dafür nicht.
Der Inhalt ist weitgehend belanglos. Im Mittelpunkt stehen – unvermeidlich in den sich selbst als „Avantgarde” erachtenden Teilen der Kulturszene – abweichende Formen der Sexualität und der sträflich überbewertete französische Philosoph Michel Foucault.
Die Typographie des Bandes ist absolut katastrophal. Die 408 Seiten sind komplett kursiv gesetzt, nicht nur der vollständige Fließtext, auch Impressum, Inhaltsverzeichnis, Bildlegenden, alles. Da wäre eigentlich auch eine „Lobende Erwähnung” kategorisch ausgeschlossen gewesen.
Interessant ist noch, dass das Buch mit dem „Ventura Publisher” gesetzt wurde, dem ersten professionellen Desktop Publishing Programm – möglicherweise auch das erste DTP-produzierte Buch bei den Preisträgern des Wettbewerbes. Leider gehen die Vorworte der Herren von der Stiftung Buchkunst auf solche wichtigen, ja geradezu revolutionären Entwicklungen der Buchherstellung nicht (mehr) ein – das Abfeiern der „deutschen Einheit” und der ständig expandierenden Eigenaktivitäten der Stiftung ließen wohl keine Zeit dazu.
Ein Blick nach Österreich
Die schönsten Bücher Österreichs 1990
In Österreich nahm die Zahl der Einsendungen zum Wettbewerb mit 86 Titeln (Vorjahr: 72) wieder etwas zu. Ausgezeichnet wurden 11 Bücher (Vorjahr: 13). Von der traditionellen Zahl 12 hatte man sich also gelöst.
Eine Eigenheit des österreichischen Wettbewerbes war es, dass die 16 Juroren auf den Fachgebieten, die sie repräsentierten (etwa Papier, Druck, Graphik), selbständig abstimmten, es also keine Gemeinschaftsabstimmungen gab.
Nach wie vor werden im Katalog auch im Gegensatz zur BRD die Institutionen, die die Juroren vertraten (darunter nur ein Verlag) fein säuberlich aufgelistet. Die Stiftung Buchkunst betrieb da immer noch Geheimniskrämerei.
Jedenfalls war es in der Regel auch nach Ansicht des Chronisten Qualität, die aus den Einsendungen herausgefiltert wurde.
Wolfdietrich Ziesel: Ingenieur Bau Kunst. The Art of Civil Engineering.
Die selten hässliche Umschlagillustration lässt schon Schlimmes befürchten und (fast) so kommt es dann auch. Allzu viele Abbildungen sind nur im kleinsten, überhaupt noch möglichen Miniaturformat und lassen kaum noch etwas erkennen. Die Buchgestalter folgen damit einem hier schon im Jahr 1987 kritisierten Trend. Die Idee, mit möglichst kleinen Bildern möglichst viele auf einer Seite unterzubringen, ist natürlich falsch.
Ansonsten erinnert die Konzeption des Buches sehr an die Architekturbücher des bundesdeutschen Hatje Verlages.
Giovanni Boccaccio:
Von Minne, Kampf und Leidenschaft
Einfach nur ein schönes Buch, das vor allem durch die exzellent gedruckten Faksimiletafeln (mit Goldreproduktion) besticht – eine Qualität, die man von der Akademischen Druck- und Verlagsanstalt Graz gewohnt war und die im österreichischen Wettbewerb auch häufig ausgezeichnet wurde.
Im bundesdeutschen Wettbewerb war so ein Buch nicht denkbar. Ob so etwas erst gar nicht vorgelegt wurde oder an der Unwilligkeit der Juroren scheiterte, lässt sich schwer beurteilen. Aber ein bisschen hatte man schon den Eindruck, dass die Stiftung Buchkunst, Frankfurt, immer den neuesten “innovativen” Trends hinterherhechelte. “Von Minne, Kampf und Leidenschaft” war ein handwerklich perfekt gemachtes Buch, worauf alleine es ja auch beim bundesdeutschen Wettbewerb angeblich ankam. Im DDR-Wettbewerb hingegen waren solche Titel hin und wieder mal aufgetaucht. Aber den gab es ja jetzt nicht mehr.
...was macht die Schweiz?
Die schönsten Schweizer Bücher 1990
Die Unzulänglichkeiten des Katalog-Layouts blieben.
Der Präsident der Jury hatte hingegen schon wieder gewechselt. Vielleicht waren Paul Hauser seine forschen Worte im 88er Katalog zum Verhängnis geworden?
Der neue Leiter der Jury, Beat Kölliker, ebenfalls vom Schweizerischen Buchhändler- und Verleger-Verband, teilte hingegen außer Hinweisen auf den Wert eines schönen Buches und Dankesworten an die Juroren fast gar nichts mit, nur noch die nackten Zahlen.
Danach waren 194 Titel eingereicht worden (1988: 226; 1989 liegt leider nicht vor), von denen 19 ausgezeichnet wurden (1988: 16).
Peter Gasser: Venezia
Kunstfertigkeit und die Entwicklung eines eigenen Stils sind dem Schweizer Fotografen Peter Gasser (*1947) nicht abzusprechen. Im Mittelpunkt von Gassers Ausrüstung steht eine Großformatkamera vom Typ Toyo, mit der 20 x 25 cm große Schwarz-Weiß-Negative belichtet werden. Es handelte sich wohl um die Toyo Field oder Toyo View 8x10 Zoll.
Für die Beschreibung seiner Technik und seines 18 kg schweren, unhandlichen Equipments braucht der Schweizer Fotograf eine ganze Seite. Der Umgang damit ist auch enorm zeitaufwendig. Für die Anfertigung eines einzigen (!) Abzuges braucht Gasser zum Beispiel einen ganzen Tag in entbehrungsreicher Arbeit.
Die Frage ist, ob sich das alles lohnt – gemeint ist fürs Thema, nicht finanziell, denn der Autodidakt Peter Gasser erfuhr zahlreiche Ankäufe von Museen in den großen Städten der Welt.
Viele Bilder sind flach und kontrastarm (verstärkt durch den weißen Seitenhintergrund). Das nimmt Gasser in Kauf, weil er möglichst viele Grauabstufungen abbilden will. Dieses Ziel erreicht er mit dem Großformat, jedoch wirken die Aufnahmen unnatürlich, manchmal in bestimmten Bildbereichen auch eigentümlich verwaschen.
Das große Format erfordert kleine Blenden von f/32 bis f/64 und entsprechend lange Belichtungszeiten von bis zu mehreren Minuten (!). Dann darf die Sonne nicht scheinen, weil sonst weiße Flächen gnadenlos überstrahlen würden (wie man es bei einigen Aufnahmen auch sieht). Der Himmel stets strukturlos milchig trüb, manchmal auch neblig den Horizont überlaufend. Schatten sieht man nie. Alleine schon das macht die Bilder trotz ihrer großen Detailschärfe unwirklich.
Außerdem dürfen keine Passanten im Bild sein. Sind sie es dennoch, kann man die zwangsläufig auftretende Bewegungsunschärfe als gewollten Effekt ausgeben. Fast alle Aufnahmen sind aber menschenleer, was seinen eigenen Reiz haben kann, auf Dauer aber fremd und monoton wirkt.
In der Summe wird aus Venedig eine unwirkliche Gespensterstadt gemacht.
So bleibt der eigentliche Zweck die Demonstration der eingesetzten fotografischen Technik und dass die Bilder ins Museum kommen. Freude an dieser Stadt wird mit Gewissheit nicht erzeugt.
Das Buch als handwerkliches Produkt ist allerdings makellos.
Hochgeladen am 18. August 2021. Zuletzt aktualisiert am 2. August 2023.
Die auf dieser Seite vorgestellten Bücher wurden geliefert von: Antiquariat Michael Eckel, Kassel (Werbefotografie), medimops (daedalus, Ingenieur), Antiquariat Tintentraum (Kinderliteratur Hardcover), Versandantiquariat Dirk Buchholz (Kinderliteratur Paperback), Versandantiquariat Ratatösk (Minne), Beauvais, Hannover (Venezia).