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Die schönsten Bücher 1980

Das Jahr 1980 war in großen Teilen gekennzeichnet durch die Folgewirkungen der internationalen Ereignisse des Vorjahres.  Im Iran radikalisierte sich die islamische Revolutionsregierung, unterstützt von extremistischen Gruppen, auf deren Konto auch die Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft in Teheran ging. Der Iran wurde durch den Kriegsausbruch mit dem Nachbarstaat Irak weiter erschüttert.

Nach dem Eingreifen der Sowjetunion in Afghanistan gegen die islamistischen Rebellen boykottierten die USA die Olympischen Sommerspiele in Moskau. “Willig” folgte auch die BRD dem Boykott, nicht so hingegen Großbritannien oder Frankreich.
– Die Streiks auf der Lenin-Werft in Danzig sind die ersten Anzeichen der Auflösung des Ostblocks.

Bei der Bundestagswahl 1980 wird zum letzten Mal eine sozialliberale Koalition gewählt, die aber keine 4 Jahre halten sollte.

Die schönsten Bücher
der Bundesrepublik Deutschland 1980

Es bleibt wie im Vorjahr bei drei einleitenden Texten.

Zunächst schreibt Professor Dr. Heinz Peters (1920–2004) vom Vorstand der Stiftung Buchkunst  (als „Danksagung”). Der Katalog teilt über seine Person nichts mit, aber laut Deutsche Biographie und DNB war er Kunsthistoriker und von 1963 bis 1987 Geschäftsführender Gesellschafter der Berliner Verlage Gebr. Mann und Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft. Die von ihm verlegten Bücher wurden häufig ausgezeichnet.

Peters geht auf den geänderten Namen des Wettbewerbes ein. Leider erfährt man dabei eigentlich gar nichts über die Gründe. Diese seien in einem Artikel des Börsenblatts bereits dargelegt worden und „brauchten hier nicht noch einmal wiederholt zu werden”, so wird apodiktisch festgestellt. Der Chronist sieht es aber als erforderlich an, dass in der Hauptpublikation des Wettbewerbes, nämlich dem vorliegenden, jährlich erscheinenden Auswahlkatalog, berichtet wird und nicht nur an anderer, viel schwerer zugänglicher Stelle.

Ein hilfsbereiter Herr der Deutschen Nationalbibliothek stellte mir eine Kopie des im Börsenblatt vom 13. März 1981, S. 689-690, erschienenen Artikels von eben jenem Heinz Peters (er schrieb nicht „von mir bereits dargelegt”) zur Verfügung.

Allerdings bleiben die dort aufgefundenen wortreichen Erörterungen – die im Katalog zusammenzufassen Prof. Peters wohl schwerfiel und die jemand hätte Korrektur lesen sollen – beim Hauptpunkt unergiebig und schwer zu fassen. Zwei kurze Zitate aus der Publikation „Kulturkatastrophe. Nachrufe auf das Abendland” des dtv-Verlegers Heinz Friedrich, müssen da genügen. Da wird über „das Schöne” aber nur philosophiert:

„Seine eigentliche Qualität enthüllt es erst in dem Sinn, den es repräsentiert.”

Vor allem scheint Prof. Peters nicht nachgesehen zu haben, warum die Stiftung 1970 den Titel geändert hatte: die Ästhetik sollte nur noch ein Merkmal neben anderen sein, wie etwa der „Provokation”, dem „Experiment” und der Abkehr von den bis dato „gültigen Gesetzen des Lesens”. Auch 1971 wurde diese neue Richtung nochmals begründet (in beiderlei Bedeutung des Wortes).

Man sieht, und das zu erkennen und zu erklären, wäre die Aufgabe von Professor Peters gewesen: die 1970 und 1971 ausgerufene Kulturrevolution des Lesens und des Buches wurde 1980 stillschweigend und verstohlen beerdigt, und dies in „schön” zu erkennendem Gleichklang mit der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung.

Peters erkennt, dass sich Anspruch und Ergebnis des Wettbewerbes, „nicht zu einer hundertprozentigen Deckung bringen lassen werden”. (Damit geht er zum einen auf das Thema der Beteiligung am Wettbewerb ein und zum anderen auf die Subjektivität der Auswahl.) Das würde auch nie jemand erwarten, aber bei der geringen Beteiligung der Verlage ist das schon eine verwegene Formulierung.

Man habe aber „den ästhetischen Anspruch wieder deutlicher gegenüber einem numerischen” zur Geltung bringen wollen. Auch diese Begründung erscheint nicht logisch, da auch in Zukunft die Zahl „50” eine Richtschnur sein wird. 1980 findet man zwar nur 41 Bücher, im folgenden Jahr sollten es aber wieder 48 Titel sein. Und auch zu Zeiten „der 50 Bücher” kam die Jury fast nie auf diese exakte Zahl.

Immerhin zeigt der Artikel im Börsenblatt, dass es auch um das Jahr 1980 herum erhebliche Kritik an der Stiftung Buchkunst gegeben haben muss. Da ist die Rede von „zahlreichen Verlegern”, die „permanentes Unbehagen” am Wettbewerb und dessen Ergebnissen ausdrücken. Das sei laut Peters zwar nur „angeblich” so, kann sich aber doch nur auf tatsächliche Vorgänge beziehen, zumal die Vorworte der Kataloge über Jahre hinweg ausgesprochen oder unausgesprochen immer wieder auf Vorbehalte und Kritik eingehen.

Wieder zum Katalog. Im zweiten Text beschäftigt sich Helmut Heißenbüttel mit der Bedeutung von Büchern. Sein Beitrag enthält durchaus interessante und lesenswerte Gedanken, die aber durch einen eigenwilligen Sprachgebrauch und das Wiederaufleben-Lassen des Fraktur-Antiqua-Streits nicht gerade aufgewertet werden.

Der Rezensent ist gespannt, wie lange verdienten Autoren noch dieser Platz im Katalog eingeräumt wird.

Dann kommt endlich der Geschäftsführer der Stiftung Buchkunst zu Wort. Philipp Bertheau beweist mit einem ellenlangen Zitat von Hans Magnus Enzensberger aus der „Zeit”, dass die Jury mit ihrer Kritik an den Auswirkungen des Fotosatzes bzw. dessen oft fehlerhafter Umsetzung nicht alleine steht.

Bertheau geht auch auf die Zahlen ein.

Prämiert wurden 41 Titel aus 538 Einsendungen (Vorjahr: 46 Titel aus 505, Vorvorjahr: 50 aus 513). Man nahm also 1980 eine viel schärfere Auswahl vor.

In Bezug auf die Beteiligung von Verlagen und anderen Einsendern weist Bertheau darauf hin, dass es von Jahr zu Jahr eine deutliche Fluktuation gibt. Neue Teilnehmer würden hinzukommen und vorherige Einsender ausscheiden. Diesmal habe die Anzahl an Einsendern auch deutlich zugenommen.

Am Beispiel des Jahres 1980 verteilten sich die Einsendungen wie folgt (S. 15):

„129 Verlage (viele mit Mehrfacheinsendungen; PE), 3 Buchgemeinschaften, 2 Pressen (von Liebhabern betriebene, bibliophile Drucke herstellende Kleinstverlage; PE), 4 Buchhandlungen, 4 Galerien, 2 kulturelle Institutionen, 1 Universität, 2 Fachhochschulen, 4 Autoren, 5 Graphik-Designer, 6 Druckereien, 1 Satzbetrieb, 1 Buchbinderei, 2 Papierfabriken und 1 Industrieunternehmen.”

Diese Zahlen bedeuten zum einen, dass die Anzahl der Verlags-Einsendungen im Verhältnis der gesamten Verlagsproduktion nochmals geringer ist, als die an dieser Stelle mehrmals genannten, da die hier verwendeten Statistiken aus dem Jahrbuch „Buch und Buchhandel in Zahlen” nur „richtige” Verlage berücksichtigen.

Zum anderen beweisen die Zahlen, dass die meisten der „sonstigen” Einsendungen leider umsonst waren, da regelmäßig und weit überwiegend die klassischen Verlage das Gros der Preisträger stellten.

Bei den einzelnen Literaturgattungen sind die nach wie vor so bezeichneten „Schaubücher” (gemeint sind Bildbände) wieder stärker vertreten, nämlich sieben gegenüber drei im Vorjahr. Die verstärkte Einsendung dieser Bände habe man mit „neuen Kontakten” und verstärkter Werbung erreicht.

Bei der Übersicht über die Herstellungsverfahren sind zwei Trends überdeutlich:

Der Offset-Druck hat sich komplett durchgesetzt (37 von 41 Titeln).

Der Fotosatz wurde bei drei Vierteln der ausgewählten Titel verwendet. Die von Bertheau aufgezählten Mängel (sozusagen als Ergänzung der eh schon langen Liste von Enzensberger) beinhalten dem Rezensenten auch erinnerliche, aber heute grotesk erscheinende Phänomene wie „elektronisches Schrägstellen” der Schrift statt Verwendung des Kursiv-Schnitts. Der Katalog selbst wurde im Bleisatz gedruckt – das war wohl auch eine Frage der Ehre.

Die Antiqua-Schriften, vor allem die Garamond und die Times, wurden wieder stärker verwendet als die serifenlosen, wobei die Helvetica 1980 überraschenderweise gar nicht mehr vertreten war.

Der Umschlag (nicht der in Van Dijk Antiqua gesetzte Innenteil) des Katalogs wurde dabei allerdings gegen den Trend gestaltet: hier wählte man eine anglo-amerikanische Grotesk-Schrift, bei der der „1” der Aufstrich fehlt, wie an prominenter Stelle, nämlich der Jahreszahl, sofort unangenehm ins Auge springt – ein bei einer solchen Publikation schwer zu glaubender Fauxpas.

Ansonsten bleibt der Katalog, der wieder von Bertheau (mit)gestaltet wurde, beim Layout und Druckbild des letzten Jahres (nur die Schrift ist kleiner geworden), mitsamt der unschönen grauen Reproduktionen der Buchseiten – was sich auch erst in einigen Jahren ändern sollte.

Der Umschlag zeigt jetzt jedes Jahr eine Illustration eines Künstlers, dieses Jahr vom Grafiker Josua Reichert mit einer mehr oder weniger gelungenen Variation zum Thema „Buch und Mensch”.

Das Entscheidende aber ist die Auswahl.

Und die zeigt, dass die oben beschriebenen “neuen Kontakte” dringend erforderlich waren. Zum Beispiel ist der x-te Band mit mittelalterlichen Buchillustrationen nicht optimal, wenn die Reproduktionen an Blässe leiden.

Ein trotz des teilweise sozialkritischen Reportage-Stils konventionell gemachter Bildband wie „Irland” (siehe unten) wird erstmals zu Recht wieder ausgezeichnet. Sowas „Herkömmliches” ging seit Mitte der 60er Jahre gar nicht bei der Stiftung Buchkunst. Man erinnert sich allenfalls an „Sizilien” von Konrad Helbig. Das war 1956.

Gegen die von der Jury selbst auferlegte und häufig proklamierte Regel, „keine Reihen” auszuzeichnen, wird immer wieder verstoßen. Diesmal ist es der hübsche Band „Michelstadt und Erbach” aus dem Emig-Verlag, der dieselbe Aufmachung hat wie andere zuvor prämiierte, etwa „Darmstadt” im Jahre 1971.

Mehrere ausgewählte Veröffentlichungen thematisieren den Umweltschutz und liegen somit voll im gesellschaftlichen Trend.

Wie hochwertig Kinderbücher bzw. Bilderbücher produziert und wie gut sie offenbar in ihren teils riesigen Auflagen verkauft werden, macht immer wieder Staunen.

Was man schon länger vermisst, ist Belletristik von Rang und Namen.

Klaus D. Francke / Roger Bernheim: Irland

Klaus D. Francke / Roger Bernheim: Irland

Der Schweizer Verlag Atlantis hatte neben seinem Hauptsitz in Zürich auch eine Niederlassung in Freiburg. Das eröffnete der Stiftung Buchkunst die Möglichkeit, das Programm in den bundesdeutschen Wettbewerb aufnehmen zu können, zumal der Verlag ursprünglich mal in Deutschland gegründet worden war.

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”Irland” gehörte also wohl zu den Büchern, die es aufgrund der geänderten Auswahlpolitik (Ästhetik wieder im Vordergrund) und “neuer Kontakte” (s. o.) auf die Auswahlliste schafften.

Das ist hart genug und lässt einen erahnen, was den Verfolgern (eher “Verfolgten”) dieses Wettbewerbes jahrelang aus ideologischen Gründen vorenthalten wurde.

Es handelt sich hier um einen herausragenden Foto-Band. Vom Handwerklichen her ist das Buch über jeden Zweifel erhaben. Sehr gutes Papier, einwandfreie Druckqualität, übersichtliches Layout – alles makellos. Nur die an für sich gute Bindung verzieht sich ganz leicht beim Lesen.

Die geschickte thematische und regionale Anordnung der Fotos und Beschreibungen überzeugt. Sehr gelungen auch, dass man auf ein zu langes Vorwort verzichtet, was ohnehin niemand liest, und stattdessen viele Informationen an Ort und Stelle bei den Erläuterungen zu den Bildern unterbringt.

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Was dem Buch aber einen absoluten Spitzenrang zuweist, sind die Fotografien. Klaus D. Francke (1935–2012) hat eher traditionelle, aber gekonnte Naturaufnahmen in Farbe mit Bildern des irischen Volkscharakters sowie sozialkritischen Aufnahmen, auch aus Nordirland, und natürlich in Schwarz-Weiß, in einem einzigen Buch vereint und dabei ein Gesamtbild von Irland gezeichnet, das seinesgleichen suchen dürfte. Die scharfe Kritik an den politischen und sozialen Verhältnissen ausdrückenden Aufnahmen aus Belfast sind das Beste, das Rezensent zu diesem Thema bis heute (2019) gesehen hat.

Der Fotograf, der durch seine Luftaufnahmen für GEO-Kalender am bekanntesten wurde, brachte noch weitere Fotobände über Irland sowie andere Länder heraus, in denen er sein Können weiter vervollkommnete.

Abbildungen: S. 33: Aufstieg zum Croagh Patrick Berg. S. 120: Belfast.

Dieter Beckmann / Klaus Martens: Star-Club
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Dieter Beckmann / Klaus Martens: Star-Club

Der Rowohlt-Verlag hatte mit dem Genre Kultur-Dokumentation ein neues Gebiet für ein junges Publikum erschlossen. Dazu gehörten zahlreiche Veröffentlichungen zur Rock-Musik und etwa auch das rororo-Filmlexikon (ausgezeichnet als eines “der 50 Bücher” 1978).

Für den Star-Club ging man Gott sei Dank einmal vom Taschenbuch-Format ab, spendierte auch sonst eine etwas bessere Ausstattung und sogar einen Hochglanz-Einband. Dennoch arbeitete man kostenbewusst und konnte das Werk, für das umfangreiche Repro-Arbeiten notwendig gewesen sein müssen, für 28 DM unter die Leute bringen.

Auch dieser Titel ist ein Beispiel dafür, dass zumindest vorübergehend beim Wettbewerb nicht mehr das „Experiment”, das “ganz Besondere” an neuen Buchveröffentlichungen gefragt war. Denn hier geht es wirklich nur um den Inhalt. Das Layout ist schnörkellos zweispaltig in Times gesetzt und macht nichts anderes als in einer dienenden Funktion den aus Bild und Text bestehenden Inhalt zur Geltung zu bringen.

Den Machern des Buches ist hier nicht nur die interessant und unterhaltsam erzählte Geschichte des Star-Clubs gelungen, sondern eine einmalige Foto-Dokumentation der Pop-Musik der 60er Jahre.

Denn die Stars der Anfangszeit waren natürlich die Beatles. Aber was heute nicht mehr so bekannt ist und auch der Rezensent nicht wusste: praktisch alle großen Acts der 60er traten im Star-Club auf, mit Ausnahme der (US-)Westcoast-Gruppen, für die lange Anreise und Gage wohl nicht mehr in einem vertretbaren Verhältnis standen (hingegen z. B. Vanilla Fudge aus New York).

Selbst ein Ray Charles, ein Jimi Hendrix und in der beginnenden Progrock-Zeit Gruppen wie “The Nice” oder “Yes” kamen. Gerade aber diese neue progressive Richtung, die für ihre Auftritte viel Technologie und große Bühnen brauchte, auch ein anderes Publikum anzog, trug zum Ende des Star-Clubs bei.

Am 31. Dezember 1969 gaben Hardin & York das letzte Konzert im Star-Club, bei dem sie den Bogen zur Anfangszeit zurückschlugen und unter anderem ein 25-minütiges Medley aus Beatles-Stücken spielten. Ja! Das war noch Musik!

Die Aufnahme auf S. 245 ist nicht nur wegen dem Bildaufbau eine der besten des Buches, sondern weil sie wunderbar die Persönlichkeit des Musikers zum Ausdruck bringt.

Brian Auger am 2. Dezember 1969.

Foto: Thomas Koch.

Anton Stankowski: Bildpläne

Anton Stankowski: Bildpläne

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Hier passiert in jeder Hinsicht Außergewöhnliches.

Der Meister selbst (Foto: Stankowski-Stiftung) – einer der bedeutendsten deutschen Grafikdesigner (1906–1998) und hier 1967 schon einmal als Ko-Autor vertreten – erklärt sein Werk, was Künstler sehr selten machen, und er tut es auf sehr anschauliche und instruktive Art. Für den Chronisten ist es die beste Erklärung “konkreter Kunst”, die er je gesehen hat.

Das Buch ist thematisch nach verschiedenen Schwerpunkten wie “Positiv-Negativ” oder “Progession” geordnet und darin wieder chronologisch.

Erfreulicherweise übernahm Anton Stankowski auch selbst die Buchgestaltung und so entstand hier eine Klarheit, eine Ordnung und eine Übersichtlichkeit, die man leider selten findet, auch hier im besprochenen Wettbewerb.

Es ist davon auszugehen, dass Stankowski auch bei der Auswahl der Materialien sowie bei der Produktion das entscheidende Wort gesprochen hat. Der feste Leineneinband in leicht cremigem Weiß passt in seiner klassischen Qualität und Unaufgeregtheit ideal zum Inhalt.

Allerdings ist es nicht schön, wie stark der Rücken sich schon beim Durchblättern des Buches verzieht.

Aber dann das Papier! “BBOT mit Stern holzfrei matt spezialgestrichen Bilderdruck, 150 g/qm” heißt das wunderbare Material, das zu berühren eine sinnliche Erfahrung ist, geliefert von der Papierfabrik Scheufelen aus Lenningen.

Das Buch ist auch auf dem antiquarischen Markt eigentlich nur noch in der Softcover-Version erhältlich. Eine freundliche Dame der Stankowski-Stiftung fand aber noch ein druckfrisches Exemplar der gebundenen Ausgabe, die von der Jury 1980 ausgezeichnet wurde.

Das kleine Format ist ein kleines bisschen schade. Das war aber wahrscheinlich bei der Verwendung solcher edler Materialien kostenmäßig nicht anders zu machen. Schon diese Größe kostete 58 DM.

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Exkurs: Papierfabrik Scheufelen

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Wir sind in diesen Jahren auch in der hohen Zeit der Papierfabrik Scheufelen aus dem schwäbischen Lenninngen.

Das seit 1855 bestehende Unternehmen (der Firmengründer Karl Scheufelen übernahm damals eine schon seit 1769 existierende Papiermühle) kam bereits 1955 auf 2000 Mitarbeiter.

Scheufelen galt lange Zeit als der Anbieter hochwertiger Kunstdruckpapiere. Den Stellenwert des Unternehmens erkennt man auch daran, dass beim Wettbewerb der schönsten deutschen Bücher regelmäßig das Gros der verwendeten Papiere bei Scheufelen gekauft worden war:

1950–1970: 429 von 968 ausgezeichneten Büchern. Der zweitrangierte Papierfabrik, die Hahnemühle, kam auf nur 92.

Im nächsten Zeitraum, für den von der Stiftung Buchkunst eine Statistik veröffentlicht wurde, war die Dominanz der Papierfabrik Scheufelen nicht mehr ganz so stark:

1971–1975: 76 von 257 ausgezeichneten Büchern. Die zweitrangierte Papierfabrik, die Hahnemühle, kam auf nur 20.

Das Papier der Auswahlkataloge wurde regelmäßig von Scheufelen kostenfrei gestellt.

Ein Vergleich mit der Jetzt-Zeit lässt überdeutlich erkennen, wie tiefgreifend, ja verheerend die Krise des gesamten Printbereiches und wohl auch des “schönen Buches” ist (hier schon für den Jahrgang 1977 beschrieben):

2019, mit jetzt nur noch 75 (!) Mitarbeitern musste die Papierfabrik Scheufelen zum dritten Mal Insolvenz anmelden, und dieses Mal wohl endgültig. Man hatte noch versucht, mit der Herstellung von Papier aus Gras auf den Öko-Zug aufzuspringen, aber das reichte nicht mehr. Die großen Kunden bestellten nicht genug davon.

Thomas Haas hat auf seiner Website einen Bericht mit vielen Fotos über den Untergang dieses Unternehmens veröffentlicht, der große Wehmut und auch Besorgnis über unsere kulturelle Entwicklung hervorruft. (Foto Carl Scheufelen: Wikipedia.)

Wolfram Becher: Michelstadt und Erbach.

Wolfram Becher: Michelstadt und Erbach

Die Kulturführer aus dem Emig Verlag, Amorbach, wurden bereits 1971 und 1973 ausgezeichnet.

Zweifelsohne waren das sehr hübsche Büchlein und jeder Auszeichnung würdig. Jedoch hätte man beim Wettbewerb 1971 mit “Darmstadt” bereits Schluss machen müssen, da es sich eindeutig um ein und dieselbe Reihe handelt und nach den Regeln des Wettbewerbes Reihen nicht mehrfach prämiiert werden durften.

Im Gegenteil wurden die Büchlein schlechter. Die Schriftgröße sank beim vorliegenden Band gegenüber dem Titel aus 1971 von 11 pt (eigenes Messergebnis; Katalogangabe: 12 pt) radikal auf 8 ½ Punkt. Man wollte eben zwei Städte in einem Buch unterbringen, sparte dazu auf vielen Seiten auch Absatzschaltungen ein – alles auf Kosten der Lesbarkeit.

Es stört auch, dass viele Bilder am oberen Rand zu stark beschnitten sind, wie schon bei der Umschlagillustration zu sehen ist, da man die Bilder zum Ablichten nicht aus den Rahmen genommen hatte.

Annegert Fuchshuber: Fidibus

Annegert Fuchshuber: Fidibus

Annegert (nicht Annegret) Fuchshuber (1940–1998) war eine der profiliertesten Kinderbuch-Illustratorinnen der Bundesrepublik.

Ihr auf Gouache basierender Stil ist stets phantasievoll, farbenfroh und bis ins Detail stimmig durchgearbeitet.

Am bekanntesten ist wohl ihre Illustration von Michael Endes “Traumfresserchen”.

Einige Bücher textete sie auch selbst. Der Fidibus (von “Hokuspokus Fidibus”) gehört dabei nicht zu ihren stärksten Arbeiten. Auch ein Märchen sollte einer gewissen inneren Logik folgen. Hier sind es aber einige Gedankensprünge zu viel. Es scheint alles irgendwie nicht zusammenzupassen.

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Der Wettbewerb in der DDR

Die schönsten Bücher der DDR 1980

Der Wettbewerb der „schönsten Bücher der Deutschen Demokratischen Republik” erreichte sein letztes Jahrzehnt.

Das konnte natürlich niemand ahnen und einstweilen befasste man sich mit Unwichtigerem als mit dem Fortbestehen des eigenen Staates. Daran sollte ja auch die berufliche Existenz all der Autoren, Drucker, Buchbinder, Grafiker etc. hängen.

Tobten in der DDR hinter den Kulissen des Wettbewerbs Auseinandersetzungen um die richtige Einbandgestaltung der Auswahlhefte, modern („formalistisch”) contra traditionell? Könnte es bei diesen Auseinandersetzungen noch um mehr gegangen sein als nur den Umschlag?

Jedenfalls kehrte man unvermittelt wieder zum Leineneinband zurück, mit Prägedruck etwas aufgehübscht.

Das Vorwort war zwar immer noch ausführlich, aber wie im Vorjahr für DDR-Verhältnisse eher kurz. Es wirkte bündig, konzis und nicht so ausufernd, wie die Textbeiträge im BRD-Wettbewerb gerade wieder wurden.

Auf ideologische Ausführungen verzichtete man vollständig. Was blieb, war die in einem sozialistischen Staat logische Zielrichtung, vor allem „Massenbücher” herzustellen.

Die durchschnittliche Auflagenhöhe der ausgezeichneten Titel wurde nun sogar auf 23.000 hochgetrieben (1979: 14.300; 1978: 18.000). Es ist davon auszugehen, wie im Vorjahr ausführlich beleuchtet, dass der Buchmarkt der DDR insgesamt stagnierte, was die Anzahl der produzierten Titel betraf. Die Zahlen der DDR-Wirtschaft waren schlecht und es war entschieden billiger, demselben Titel eine höhere Auflage zu verschaffen als zusätzliche Titel neu aufzulegen.

Und dann passierte noch etwas, was man als Krisensymptom deuten könnte: zum ersten Mal seit 1967 wurden nicht mindestens 49 oder 50 Bücher ausgezeichnet. Die Anzahl sank sogar drastisch auf nur noch 41 Titel.

Aber bei aller Sparsamkeit und auch weiterhin aller inhaltlichen Betulichkeit des DDR-Buchprogramms gab es dann immer wieder mal ein Juwel. 1980 legte man als (nicht nur) „buchkünstlerisches Experiment” (S. 10) das Buch „Abschied von den Eltern” von Peter Weiss als riesiges Leporello auf, allerdings dann auch nur mit 1000 Exemplaren und bei einem Preis von sehr teuren 125 Mark für den normalen DDR-Bürger unerschwinglich..

Bei der Technik erkennt man, dass der Offsetdruck fast so weit verbreitet war (33 von 46) wie in der BRD (37 von 41), aber der Lichtsatz (17 von 46) noch weit gegenüber dem Westen (30 von 41) zurück hing. Sicher auch ein Anzeichen eines allgemeinen Technologie-Rückstandes.

In beiden deutschen Wettbewerben waren aber die Leinen- bzw. „Ganzgewebe”-Bände wieder auf dem Vormarsch.

Hans-Joachim Papke: Handbuch Industrieprojektierung

Hans-Joachim Papke:
Handbuch Industrieprojektierung


Ob dies ein schönes Buch ist, sei dahingestellt.

Aber eine überwältigende verlegerische und handwerkliche Leistung ist es mit Sicherheit. 2152 Bilder und 512 Tafel müssen erst einmal sauber gesetzt werden.

Allerdings ist der Text auf den 576 Seiten mit nur 8 pt zu klein gesetzt, die umfangreichen Erläuterungen der Schaubilder haben gar nur eine Größe von 7 pt. Der Einband ist für ein Handbuch zu weich, der Umschlag ist lappig.

Das aus historischer Sicht eigentlich Interessante an diesem Buch ist die Tatsache, dass hier mit großer Deutlichkeit zu Tage tritt, dass die DDR kein Entwicklungsland, sondern eine hochentwickelte Industrienation war, die hier ihre Industrie-Planungs- und Realisierungskapazitäten in beachtlicher Weise demonstriert.

Die Autoren verwenden in ihren Quellenhinweisen ein breites Spektrum von Fachliteratur, ganz unbefangen auch solche aus bundesdeutschen Verlagen.

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Ein Blick nach Österreich

Die schönsten Bücher Österreichs 1980

Die schönsten Bücher Österreichs 1980

90 Titel wurden eingereicht, ein deutlicher Anstieg zu den Jahren zuvor. Die Jury blieb aber sowohl bei ihrer Vorgabe von 12 Preisträgern als auch bei ihrer Tradition, die mit Abstand kürzeste Vorbemerkung der vier hier vorgestellten Wettbewerbe zu machen.

Ein bisschen was hätte man schon gerne erfahren, wie die 18 (ausschließlich) Herren, in typisch österreichischer Manier fast alle mit prangenden Titeln wie “Direktor Hofrat” ausgestattet, die Entwicklung des Buchmarktes in ihrem Heimatland sehen.

Weit überwiegend wurden wieder großformatige und aufwendig produzierte Bildbände ausgezeichnet.

Erich Lessing: Hallstatt

Erich Lessing: Hallstatt

Getrennt nach Buchdruck- und Kunstdruckseiten, aber intelligent aufgebaut, wird hier ein opulentes “Bild” (im wahrsten Sinne) der keltischen Hallstatt-Kultur gezeichnet.

Diese Phase der europäischen Geschichte dauerte etwa von 800 bis 450 v. Chr. und wurde benannt nach dem Fundort Hallstatt in Österreich. Abgelöst wurde sie von der Latènezeit.

Das eigentlich beachtliche (und deshalb wird auch nur ein Hauptautor hervorgehoben), sind die exzellenten Fotografien von Erich Lessing (1923–2018). Lessing war wohl der bekannteste Fotograf Österreichs. Er war ungeheuer produktiv und sein Repertoire reichte von Reportage-Fotografie über Portraits bis hin zu Kunstbänden. Seine vielleicht berühmtesten Bilder entstanden als Dokumentation des ungarischen Volksaufstandes 1956.

Die zahlreichen und meist großformatigen Fotos sind farbenfreudig, perfekt belichtet und gestochen scharf reproduziert, wie man es heute (2019) kaum besser machen könnte. Lediglich die Landschaftsaufnahmen fallen ab. Die Abbildungen zeigen eine Kultur in den verschiedensten Gebrauchs- und Kunstgegenständen, die über erstaunliche Fähigkeiten verfügte – und dennoch unterging.

Kostenmäßig war es 1980 noch nicht machbar, das komplette Buch, also auch die Textseiten, auf dem verwendeten 170 g scheren, hochwertigen, gestrichenen Papier zu drucken. Dennoch hatte das Werk auch in der vorgelegten Form mit 1600 Schilling bzw. 118 DM (Rechnung liegt noch im Buch) einen beachtlichen Preis, der wohl nur für Bibliotheken und Bildungsbürger erschwinglich war. Gedruckt wurden 3000 Exemplare für den österreichischen und deutschen Markt.

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...was macht die Schweiz?

Die schönsten Schweizer Bücher 1980

Die schönsten Schweizer Bücher 1980

Mit nur noch 210 eingereichten Büchern fiel man auf den Stand der 60er Jahre zurück, war aber offenbar nicht bereit, von dem bei den Verlagen unbeliebten Vorab-Fragebogen abzugehen.

169 der eingesandten Titel kamen aus dem deutsch-, 30 aus dem französisch- und 11 aus dem italienischsprachigen Raum. Zuvor hatte man stets die Sprachen- bzw. Regionenverteilung bei den Preisträgern angegeben.

Ausgezeichnet wurden 34 Bücher. 15 davon fielen auf die Kategorie Kunst- und Fotobände, ähnlich wie in Österreich (dort nur noch stärker ausgeprägt). Die Schweiz war und ist das Land der betuchten Kunstliebhaber.

Wie auch in der BRD, fallen Wechsel in der Auswahlpolitik bzw. in der Einschätzung der Anforderungen an die Buchgestaltung und deren Spielräume störend auf. So wurde 1975 und 1976 “das Ausbleiben von völlig neuen Gestaltungen” kritisiert, 1980 wird hingegen anerkannt, dass bei der “Buchdruckerkunst” aufgrund ihrer Voraussetzungen “für Experimente wenig Spielraum bleibt”.

à contre temps. Huitante textes Vadois de 1980 à 1380.

à contre temps. Huitante textes vadois de 1980 à 1380.

Es geht doch so einfach, ein schönes Buch zu machen.

Die wichtigsten Regeln beachten, hier die überzeugende und gut lesbare Klarheit des Layouts, aufgelockert durch ein klein wenig, aber nicht zu viel, Kreativität bei der Anordnung der unweigerlich vielen Textelemente.

Überragend sind die phantastischen Portraitfotos der Autoren. Alleine die sind das Buch schon wert. (Die älteren Schriftsteller sind mit gemalten Portraits oder Büsten vertreten.)

Kreativ waren die Leute vom Verlag Payot aus Lausanne auch beim Titel. Denn “gegen die Zeit” ist doppeldeutig. Gegen ein unbedachtes Nachhecheln aktueller Zeitströmungen und Moden, aber auch angeordnet in umgekehrter chronologischer Reihenfolge. Denn der erste der 80 Texte ist der neueste und der letzte der älteste. Das ist ein sehr anregendes Konzept.

Eine doppelte Bedeutung hat auch “vaudois”. Denn es heißt: “aus dem Kanton Waadt” (frz. Vaud) mit der Hauptstadt Lausanne, aber auch “waldensisch”, also in Bezug auf die reformierte Konfession.

Die Jury schrieb: “Composition attrayante et vivante, favorisant l’ordonnance de ouvrage.”

Erika Billeter: Soft Art

Erika Billeter: Soft Art

Erika Billeter war in diesen Jahren der Star der Schweizer Kunstszene und die Kataloge ihrer Ausstellungen wurden vielfach ausgezeichnet, wie zum Beispiel auch im Vorjahr.

Bei vorliegendem Titel handelt es sich um die Zweitverwertung einer Ausstellung, die schon in Form des Kataloges “Weich und plastisch. Soft-Art. Ausstellungskatalog” zu einer Printveröffentlichung gekommen war.

Was hat die Jury in diesem Buch gesehen, das es zu einem der “schönsten Schweizer Bücher 1980” gemacht hat?

Es ist schwer zu sagen. Gutes Papier, einen festen Umschlag und eine stabile Bindung werden andere Bücher auch gehabt haben.

War es vielleicht doch ein Faible für die in den 70er Jahren modisch gewordene Kunstrichtung der “Arbeit mit Materialien” (in diesem Fall mit “weichen” wie Stoffen oder Haaren)?

Ist es aber angemessen, die fast ausschließlich schwarz-weißen Reproduktionen auf farbigem Papier einer hell-türkisen Tönung wiederzugeben?

Sind Schwarz-Weiß-Fotos an sich das richtige Mittel, die doch auch von der Farbigkeit lebenden Objekte abzubilden?

Hätte man, wenn man sich aus Kostengründen so entscheidet (das Buch kostete akzeptable 48 Franken), nicht für bessere technische Qualität sorgen sollen? Denn die Abbildungen sind schlecht durchzeichnet und häufig verwaschen.

Es kommt hinzu, dass der Klappentext irreführend ist, wenn er von “270 Farb- und Schwarzweiss-Abbildungen” spricht. Denn farbig sind nur 11 (!) kleine Bildchen im angehängten Katalog sowie das Umschlagbild (Colette: “Deadly Feminine”), das zwar ein Eyecatcher für die Kunden, aber in seiner sexuellen Verruchtheit und der Frivolität, die sich in Kombination mit dem Untertitel ergibt, nicht repräsentativ für die Ausstellung ist.

Also stimmt eigentlich wenig.

Die Jury meinte hingegen und doch sehr lapidar: “Typografische und fotografische Übereinstimmung neuer Kunstformen.”

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Hochgeladen am 16. August 2019. Zuletzt aktualisiert am 30. Juli 2023.

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Die auf dieser Seite vorgestellten Bücher wurden geliefert von: Buch-Galerie Silvia Umla (Auswahlhefte BRD und DDR), Antiquariat Bruddenbrooks (Irland), Klaus-Kuhnke-Archiv (Star-Club) Stankowski-Stiftung (Bildpläne), Franziska Bierl Antiquariat (Fidibus),
Antiquariat an der Nikolaikirche, Leipzig (Industrieprojektierung), Buchseite, Wien (Hallstatt).

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