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Heinrich Böll
Romane und Erzählungen 1961–1971

Heinrich Böll: Romane und Erzählungen 1961-1971

Für mich sind es die großen drei Schriftsteller Thomas Mann, Günter Grass und Heinrich Böll, die der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts Weltgeltung verschafft haben.

Von Heinrich Böll habe ich sehr viel gelesen, aber es sind vor allem das Gesamtwerk und die über jeden Zweifel erhabene moralische Integrität der Person, die einem Achtung abverlangen.

Am ehesten literarische Geltung haben meiner Meinung „Ansichten eines Clowns” (1963) und vor allem „Gruppenbild mit Dame” (1971). Die Spätwerke sind hingegen zu sehr politisiert und mit einer schwer zu bestreitenden, gewissen Indifferenz gegenüber dem RAF-Terror versehen. Da hatte Böll sein moralischer Kompass aus dem Deutschland (vor allem dessen katholischen Regionen) der 50er und 60er Jahre im Stich gelassen.

Die frühe Kurzerzählung „Nicht nur zur Weihnachtszeit” habe ich bereits in meinen Besprechungen der „schönsten deutschen Bücher” vorgestellt.

Im Folgenden meine Aufzeichnungen aus dem Jahr 1989.

Heinrich Böll: Gruppenbild mit Dame

Das Portrait einer Frau. Einer ungewöhnlichen Frau, auf ungewöhnliche Weise gezeichnet.

In Interviews, in ironisch-soziologischer Sprache, mit ihren Mitmenschen entsteht facettenartig das Bild von Leni, über 5 Jahrzehnte hinweg.

Aber nicht nur Leni, eine ganze Gruppe von Menschen (Titel), eigentlich ein Stück Deutschland in der Zeit von 1930 bis 1970 wird beschrieben.

„Gruppenbild mit Dame” ist eigentlich auch ein „Frauenbuch”. Es geht um Fähigkeiten von Frauen, die in der Gesellschaft nicht nur nicht gefragt sind und nicht nur nicht honoriert werden (schon in der Schule nicht), sondern die auch zu Konflikten, zu Leiden führen, auch zum Scheitern führen können: Sensibilität, Einfühlungsvermögen, große Gefühlsstärke und Hingabevermögen, auch Mut und Unkonformität, Unangepaßtheit.

Genial, wie Böll das alles nachzeichnet, obwohl man sagen muß, es ist mehr beschreibend als analytisch.

Er deckt aus einer humanistischen Grundhaltung in gewisser Weise, eher sorgfältig als unerbittlich, den ganzen Machtzynismus, die Heuchelei, die Brutalität deutscher Verhältnisse auf, und wie Menschen daran leiden und zerbrechen. So schon in „Ansichten eines Clowns”.

Eigentlich geht Böll fast wie ein Buchhalter vor: er zeigt uns die Kosten der Machtausübung und des vermeintlichen Fortschritts auf.

[In der Studie] „Ansichten eines Clowns” [...] wird schonungslos die Heuchelei der Nachkriegsgesellschaft, speziell deren katholischen Teils, aufgedeckt.

Dagegen ist „Gruppenbild mit Dame” viel umfassender: unglaublich, was da alles drin ist an subjektiven Lebensläufen, an den unterschiedlichsten Lebensverhältnissen, an ganz differenzierten Beschreibungen, einfühlsamen und mit-fühlenden Beschreibungen von Menschen und menschlichen Verhältnissen, von zwischen-menschlichen Verhältnissen auch, eigentlich vom ganzen Reichtum und der ganzen Qual der Menschen.

Peter Eisenburger, 1989.

Abgebildete Ausgabe:

Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main o. J. (ca. 1988). 1056 Seiten.

Erstausgabe dieser Auflage: Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1987.

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Hochgeladen am 13. Juni 2021. Zuletzt aktualisiert am 4. August 2023.

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