Kinder- und Jugendbücher
Rezensionen
von Peter Eisenburger

Jón Svensson / Georg Telemann
Nonni und Manni

Nonni und Manni

Summary

Die Brüder Nonni und Manni helfen einem unschuldig in Verdacht Geratenen.

Inhalt und Kritik

Für sich betrachtet, ein am Fließband hergestelltes, nach einer TV-Serie entstandenes Produkt. Abenteuer auf Island, Jungen, Pferde, ein Bösewicht, ein Gegenspieler, Mord, falscher Verdacht, die Hatz auf den Unschuldigen usw., nicht mal sehr gekonnt in Szene gesetzt, aber als „Lesefutter“ brauchbar, wie die Bibliothekare sagen.

Der Vergleich mit dem 1. Band der Originalbücher, nach denen die Fernsehserie entstand, dem Kinderbuch-Klassiker „Nonni“ von Jón Svensson bringt allerdings zutage, daß man bei der vorliegenden neuen Verarbeitung nicht mal mehr von einem müden Abklatsch sprechen kann.

Svenssons 1913 erschienene autobiographische Erzählung ist der Bericht einer Überfahrt von Island nach Kopenhagen im Jahre 1910, geschrieben aus einer rührenden und authentischen kindlichen Weltsicht, erfüllt von einer tiefen Religiosität und fest eingebunden in die örtlichen und zeitlichen Umstände. Ungemein packend und gekonnt die Schilderung des Kampfes gegen die Naturgewalten. Passend dazu die Holzschnitt-Illustrationen.

Demgegenüber fällt der vorliegende Band vor allem durch seine Profillosigkeit auf. Zudem sind Ort, Handlung, Personen, Stil und Wertesystem so weit verändert, daß kaum noch eine Verbindung zum Original erkennbar ist. Den Isländer Jón Svensson dennoch als Autor aufzuführen, ist schon eine Frechheit.

P. Eisenburger, 1990.

Abgebildete Ausgaben:

Jón Svensson / Georg Telemann
Nonni und Manni. Die Jungen von der Feuerinsel.
Mit Fotos aus der gleichnamigen Fernsehserie.
dtv Junior
dtv 70206
Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1990.
192 S.
DM 10,90

Ausgabe des Originaltextes bei dtv:
Jón Svensson
Nonni. Erlebnisse eines jungen Isländers von ihm selbst erzählt.
Umschlagbild von Gerlinde Keller.
Illustrationen von Walter Grieder.
dtv Junior
dtv 70044
Deutscher Taschenbuch Verlag, München Dezember 1984.
255 S.
DM 9,80

Vorlage dieser dtv-Ausgabe:
Jón Svensson
Nonni. Erlebnisse eines jungen Isländers von ihm selbst erzählt.
Umschlag und Illustrationen von Walter Grieder.
Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 1979.
3. Auflage 1983.

Originalausgabe:
Jón Svensson
Nonni. Erlebnisse eines jungen Isländers von ihm selbst erzählt.
Mit 12 Bildern.
Herder Verlagsbuchhandlung, Freiburg im Breisgau 31.–35. Auflage 1929.

Die Erstauflage von 1913, deren Einband aufwendiger gestaltet war, gibt es derzeit nur im Museum. Sollte ein Antiquariat ein Exemplar anbieten können, wäre es für normale Menschen unbezahlbar. Sicher wurden wiederholt auf Speichern bei weggepackten Kinderbüchern gefundene Exemplare als „wertlos“ weggeworfen – dumme Menschen!

Nachbetrachtung

Über den großen Jón Svensson (1857–1944) wird man hier von mir keine Betrachtungen erfahren wollen. Was für eine faszinierende Persönlichkeit!

Die deutsche Editionsgeschichte von “Nonni” dürfte mit den nebenstehenden Bänden in den wichtigsten Etappen sozusagen abgebildet sein. Jón Svensson schrieb die Originalversion von “Nonni” auch auf Deutsch.

Noch eine bisschen verrückte Kleinigkeit. Jón Svensson SJ unterrichtete von 1914 bis 1919 an der Stella Matutina, dem berühmten Jesuitengymnasium in Feldkirch (Österreich), wo auch die Erstausgabe von “Nonni” erschien. 

An der Stelle Matutina unterrichtete von 1923 bis 1934 auch Josef Hörle, dessen Biographie ich 2022 in den Nassauischen Annalen veröffentlichte. Beide Männer wären also fast Kollegen geworden. Und wer weiß, wenn Svensson in diesen 12 Jahren, die Hörle an der Stella Matutina war, mal auf Besuch kam, haben sie sich tatsächlich kennengelernt.

24. November 2024 / 30. November 2024.

Jon Svensson: Nonni
Jon Svensson: Nonni
nonni_1929_illustration

Illustrationen. Die Originalbände hatten noch die 12 herausragenden Holzschnitte von Fritz Bergen (1857–1941). Man beachte die fast identischen Lebensdaten beider Männer. Sie waren auch fast am selben Tag geboren: Bergen am 5. November, Svensson am 16. November, allerdings an Orten, die unterschiedlicher kaum hätten sein können: in Dessau bzw. in einer kleinen Siedlung in Nordisland.

Fritz Bergen war ungeheuer produktiv. Jeder, der in der Wilhelminischen Zeit und der Weimarer Republik etwas las, wird wohl auch Illustrationen von ihm in der Hand gehabt haben.

Die Holzschnitte für “Nonni” zeichnen sich durch eine große Ausdruckskraft und teilweise auch Dramatik aus, wie zum Beispiel der Kampf mit dem Eisbären. Mehr als das eine Bild will ich aber aus urheberrechtlichen Gründen nicht zeigen.

Die vom Herder Verlag 1979 veröffentlichte Neuausgabe als Hardcover (siehe Bild rechts) verzichtete auf die originalen Illustrationen, vielleicht aus Lizenzgründen, aber wohl eher, weil man sie leider nicht mehr als zeitgemäß ansah.

Stattdessen engagierte man den Schweizer Künstler Walter Grieder (1914–2004), der eine packende Umschlagillustration in Öl im Stil der 60er/70er Jahre schuf. Die entsprechende Szene des Buches liest sich immer noch nervenzerreißend und war sogar noch viel spannender als es das Bild zeigt, denn der Eisbär hatte einen Mann schon überwältigt und weggeschleppt sowie einen weiteren, den Kapitän, mit einem Tatzenhieb zu Boden geworfen.

Zahlreiche Tuschezeichnungen im Buchblock illustrieren die Handlung weiter. Walter Grieder war sicher ein Könner, jedoch erreichen diese Zeichnungen nicht die Tiefe der originalen Holzschnitte.

Für die dtv-Ausgabe verbroch die dafür zuständige Verlagsleitung dann Folgendes. Die Anzahl der Tuschezeichnungen von Grieder wurde drastisch reduziert, um Platz und Kosten zu sparen. Einige der Zeichnungen wurden gar beschnitten. Auch will das liebliche Umschlagbild von Gerlinde Keller stilistisch nicht zu den Innenillustrationen passen, sollte aber wohl einem neuen “Zeitgeschmack” dienen.

Endgültig mit der Umschlaggesteltung von “Nonni und Manni”, den lustig auf einem Pony reitenden Jungs, erhält die packende, einem Abenteuerroman gleichkommende autobiographische Erzählung “Nonni” die Anmutung eines harmlosen Kinderbuches. Wie traurig.

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Hochgeladen am 24. November 2024. Zuletzt aktialisiert am 30. November 2024.

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