Kinder- und Jugendbücher
Rezensionen
von Peter Eisenburger
Ruth Park
Schwester des Meeres


Nachbetrachtung
Ruth Park, die in Neuseeland geboren und 93 Jahre alt wurde (1917–2010), blieb in Deutschland fast unbekannt. In ihrer Wahlheimat Australien ist sie eine der populärsten Schriftstellerinnen. Sie schrieb sowohl für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche. Mehrere Hörspiel- und eine Fernsehserie, Dramen und einige Sachbücher wurden ebenfalls von ihr verfasst, darüber hinaus zahllose Drehbücher für das Radio sowie viele Zeitschriften- und Zeitungsartikel. Ruth Park wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet.
Cover-Illustration
Im Vergleich der Cover-Illustrationen fällt die deutsche Version nicht nur stark ab, sondern man hält es kaum für möglich, dass dasselbe Buch gemeint ist.
Wer sind die beiden Künstlerinnen?
Die Originalversion stammt von Elizabeth Honey. Die australische Autorin und Künstlerin (*1947) hat ein ungeheuer vielfältiges Œuvre. “My Sister Sif” ist – soweit es sich beurteilen lässt – nicht eine ihrer typischen, aber vielleicht ihre schönste Arbeit.
Die Künstlerin Charlotte Panowsky, verantwortlich für die Cover-Illustration der deutschen Ausgabe, fertigt ihre beachtlichen ernsten Arbeiten im Bereich abstrakter Kunst an, wie man ihrer Homepage entnehmen kann. Sehr falsch wird man nicht liegen, wenn man die Illustrationen für Kinderbücher als ihre Brot- und Butter-Arbeiten bezeichnet.
Summary
Die 14-jährige Erika erlebt auf einer entlegenen Pazifik-Insel die Anzeichen einer aufziehenden Umwelt-Katastrophe. Außerdem muss sie auch lernen, dass man geliebte Menschen nicht besitzen kann. Fantasy-Roman.
Inhalt und Kritik
In diesem Fantasy-Roman werden aus der Perspektive der 14-jährigen Erika Ereignisse am Ende des 20. Jahrhunderts geschildert, als Bewohner einer kleinen Pazifik-Insel und dort ebenfalls lebende Meermenschen mit den Anzeichen einer drohenden Öko-Katastrophe konfrontiert werden.
Nicht nur das, Erika muss sich auch noch damit auseinandersetzen, daß ihre innig geliebte 17-jährige Schwester Sif (hier: “Siw”) sich mit einem jungen Meeresbiologen anfreundet. Eindringlich werden auftauchende Verlustängste, Eifersucht, Hass, Ohnmachtsgefühle sowie die lange andauernde Unfähigkeit Erikas beschrieben, einen geliebten Menschen zu teilen.
Die Sprache vermittelt gekonnt die heitere Stimmung einer Pazifik-Insel, vermag Umweltgefahren realistisch darzustellen und überzeugt in der sensiblen und differenzierten Beschreibung der Gefühlswelt eines 14-jährigen Mädchens. In Sprache, Handlung und Aufbau rundum gelungen, unterhaltsam, spannend, ergreifend und aufrüttelnd, aber immer in der Tonlage angemessen und nicht zu dick auftragend. Die Fantasy-Elemente werden nicht eingesetzt, um zu entführen oder zu vernebeln, sondern um die Umwelt-Problematik zugänglich zu machen. Auch in der äußeren Aufmachung sehr ansprechend.
Peter Eisenburger, 1990.
Abgebildete Ausgaben:
Schwester des Meeres
Aus dem Englischen übersetzt von Maria Rosken.
Umschlagillustration von Charlotte Panowsky.
Loewe Verlag, Bindlach 1989. 180 Seiten.
DM 16,80.
Australische Erstausgabe:
My Sister Sif.
Viking Kestrel 1986.
Vergleich der beiden Aquarelle
Das Original aus Australien drückt Dynamik, Kraft, Zielstrebigkeit, ja Dramatik aus. Mit einem Wort: atemberaubend. Im deutschen Pendant sieht man nur ein harmloses Planschen mit einem Delphin.
Die technische Ausführung der deutschen Version ist bescheiden. Die Gesichtszüge wirken grob. Die technische Umsetzung des Themas durch Mrs. Honey hingegen ist grandios, sowohl in der Gesamtkomposition als auch in den Details und der souveränen Beherrschung des Aquarellierens. Man sehe sich nur einmal die meisterhaften Wasserspiegelungen der beiden jungen Frauen mit ihren Badeanzügen an. Auch der Einsatz der Farben und die sichere Führung des Pinsels sind vorzüglich. Selten habe ich (der selbst einmal malte) ein so perfektes Aquarell gesehen.
Das Einzige, was man anmerken könnte: die jungen Frauen wirken für 14 und 17 Jahre vielleicht eine Spur zu erwachsen und oh so sexy. Wenngleich wohl junge Menschen, die am Meer leben und sehr viel schwimmen, früh diese sportliche, trainierte Figur annehmen. Es ist wahrscheinlich, dass die Illustratorin für ihr Aquarell auch eine Vorlage von Sportschwimmerinnen hatte.
Verfolgen Sie Mrs. Honey beim Zeichnen und Malen. Es macht große Freude. Ich fühle ein Ziehen im Bauch und mir juckt es wieder in den Fingern, wenn ich das sehe.
Es ist bedauerlich, dass der Loewe Verlag, der dem Buch ansonsten eine hochwertige Ausstattung mit Hardcover, Leinen, Schutzumschlag, sehr gutem Papier und lichtem, ansprechendem Layout (vom SatzCentrum Jung aus Lahnau bei Gießen) spendiert hat, ausgerechnet an der so wichtigen Umschlagillustration gespart hat. Im Gegensatz zum australischen Verlag, der wohl Jugendliche und junge Erwachsene ansprechen wollte, hatte der deutsche Verlag vielleicht eine jüngere Käufergruppe im Sinn. Dennoch muss die Illustration zum Inhalt passen.
11. November 2024



Hochgeladen am 11. Oktober 2024. Zuletzt aktualisiert am 11. November 2024.