Kinder- und Jugendbücher
Rezensionen
von Peter Eisenburger

Monica Hughes
Hinter dem Dunklen Fluß

Monica Hughes: Hinter dem dunklen Fluß
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Umschlagillustrationen

Der Vergleich der Umschlagillustrationen zeigt unter anderem, wie unterschiedlich die Künstler der englischen und deutschen Ausgaben mit den beiden Hauptpersonen umgingen.

Während ein Indianermädchen positive Identifikationsmöglichkeiten bot, bereitete der Hutterer Junge den deutschen Illustratoren so große Probleme, dass sie entweder ganz auf ihn verzichteten oder ihn so weit an den Rand rückten, dass er erst bei genauerem Hinsehen überhaupt auffällt. Eigentlich eine Verfälschung.

Interessant ist immerhin die damit verbundene Information, dass die deutschstämmigen Hutterer selbst in England einen so hohen Bekanntheitsgrad haben, dass Benjamin Gross dort nicht versteckt werden musste.

Die deutschen Verlage rückten entsprechend das Thema “Indianer” stark in den Vordergrund, auch wörtlich genommen. Bei der deutschen Erstausgabe, der vom Otto Maier Verlag eine Hardcover-Ausgabe spendiert worden war, aber offenbar nur noch Geld für eine kümmerliche Pastellzeichnung übrig blieb, auf der das Mädchen Tochter-der-Nachfolgenden auf eine Feder reduziert ist.

Die englische Erstveröffentlichung setzte stark auf Schock-Effekte. Wie betulich und folkloristisch die deutsche Taschenbuchausgabe dagegen wirkt! Aber der Londoner Verlag Hamish Hamilton plazierte durch dieses Cover das Buch da, wo es hingehört: auf den Markt für Jugendliche und junge Erwachsene.

Unschön vom Künstler Tony Morris war nur, dass er die stürzenden Linien der mit einem Weitwinkel-Objektiv abfotografierten Skyline (Edmonton?) nicht herausgenommen hat.

Die kanadische Taschenbuchausgabe zeigt auf dem Cover eine nicht ganz so schreckliche, aber auch düster wirkende Szene mit beiden Hauptfiguren.

Summary

Hinter dem Dunklen Fluß liegt die zerstörte Stadt, in der Anfang des nächsten Jahrtausends ein hutterischer Junge und ein Indianermädchen in eine tödliche Gefahr geraten. Fantasy-Roman.

Inhalt und Kritik

Packender, handlungsreicher Fantasy-Roman aus dem Beginn des nächsten Jahrtausends. Im Westen Kanadas überleben eine Gemeinschaft der Hutterischen Brüder und ein Indianerstamm unversehrt den Untergang der Zivilisation. Als die Kinder der Hutterischen „Leut“ von einer rätselhaften Krankheit befallen
werden, machen sich Benjamin und das Indianermädchen Tochter-
der-Nachfolgenden auf den Weg in die zerstörte Stadt (Edmonton), um nach Hilfe zu suchen.

Eindrucksvoll, wie die verschiedenen Lebensweisen und -auffassungen der „Leut“ und der Indianer, immer konkret eingebettet in die Handlung, beschrieben werden.  Wohltuend, wie ihre jeweiligen Stärken und Schwächen aufgezeigt und somit die mitschwingende Zivilisationskritik etwas abgemildert wird.

Die Handlung ist immer spannend, entwickelt sich stringent und mit ständig unverhofften Wendungen. Sprachlich überzeugend, sehr gut übersetzt. Für Jugendliche bieten die beiden Hauptfiguren, die sich überlieferten Normen ihrer Gemeinschaften widersetzen, positive Identifikationsmöglichketten. Bei allem Mut behalten die Helden aber noch Angst und Schwächen. Der philosophisch-optimistische Schluß wirkt jedoch etwas aufgesetzt. Nicht unproblematisch auch, die Stadtbewohner zu menschenfressenden Monstern entarten zu lassen. Schließlich hätte man sich auch eine Lösung des Katastrophenrätsels gewünscht.

P. Eisenburger, 1989.

Abgebildete Ausgaben:

Monica Hughes
Hinter dem Dunklen Fluß
Aus dem Englischen von Cornelia Krutz-Arnold
Umschlagillustration: B. Werner
RTB Fantasy
Ravensburger Taschenbuch Band 1728
Otto Maier Verlag, Ravensburg 1989
238 S. DM 8,80.

Monica Hughes
Hinter dem Dunklen Fluß
Aus dem Englischen von Cornelia Krutz-Arnold
Umschlaggestaltung: Marlis Scharff-Kniemeyer
Ravensburger Junge Reihe
Otto Maier Verlag, Ravensburg 1986
238 S. DM 19,80.

Monica Hughes
Beyond the Dark River
Jacket illustration by Tony Morris
Ravensburger Junge Reihe
Hamish Hamilton, London 1979
152 S. £ 4,50.

Monica Hughes
Beyond the Dark River
Cover design: Brant Cowie
Irwin Junior Fiction
Stoddard Publishing Co., Toronto 1992
152 S. $ 9,95.

Nachbetrachtung

Die multitalentierte englisch-kanadische Autorin Monica Hughes (1925–2003) veröffentlichte erst mit 50 Jahren ihr erstes Buch und war überhaupt eine erstaunliche Person. Unter anderem arbeitete sie im 2. Weltkrieg für die Royal Navy an der Entschlüsselung deutscher Codes, studierte Meteorologie, war Modedesignerin in London und Zimbabwe und arbeitete als Laborassistentin.

Nachdem ihr erstes Buch erschienen war, avancierte Frau Hughes zu einer der weltweit besten Science-Fiction-Schriftsteller/innen für ein junges Publikum.

In Deutschland erschienen in den 80er Jahren einige Bücher von ihr in wechselnden Verlagen, den Durchbruch erzielte sie jedoch hier nie. Grund war vielleicht, dass die Bücher für den im internationalen Maßstab auch kleinen deutschen Markt zu viel kanadische Bezüge enthielten.

Zudem scheint der F. Schneider Verlag, der in den 80er Jahren die im englischsprachigen Raum erfolgreiche Isis-Trilogie herausbrachte, als typischer Kinderbuch-Verlag nicht die optimale Adresse für die auch ernsten und teilweise “harten” Themen der Monica Hughes gewesen zu sein.

Mehrere andere Verlage versuchten es dann noch, unter anderem der Otto Maier Verlag, der sieben Jahre nach der Erstveröffentlichung das hier vorgestellte Buch aufgriff, weil er sich von dem in Deutschland (damals?) immer noch populären Indianerthema etwas versprach.

Peter Eisenburger, 20. Februar 2025.






 

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Hochgeladen am 20. Februar 2025.

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