Kinder- und Jugendbücher
Rezensionen
von Peter Eisenburger

Carole Lloyd
3 x täglich Charlie Barber

Carole Lloyd: Charlie Barber

Summary

Simons Mutter ist gestorben. Erst als das ungewöhnliche Mädchen Charlie Barber auftaucht, fängt er wieder an, richtig zu leben.

Inhalt und Kritik

Ein Buch, das eigentlich ganz interessant beginnt, sich aber mit zunehmender Dauer in Belanglosigkeiten und Ungereimtheiten verliert. Im ersten Drittel wird aus der Sicht des 15jährigen Simon auf düstere und deprimierende Weise eine Familie geschildert, die mit Verdrängungsprozessen und wie benommen auf den Tod der Ehe-Frau und Mutter reagiert. Simon ist in einer verzweifelten Lage, er erstickt förmlich an seiner Wut und seiner Einsamkeit. Eine Lösung dieses Zustandes von Simon und der Rest-Familie findet nur oberflächlich statt, durch ein Mädchen.

Literarisch auf keinste Weise befriedigend, verfällt die Autorin (Erstlingswerk) nach diesem verheißungsvollen Start in verschiedene Stilwechsel (der schüchterne Simon wird plötzlich zum Macho, die Handlung wird geradezu langweilig, da jede Überraschung fehlt, rätselhafte und unglaubhafte Stellen tauchen auf, die Beschreibung der Liebe der beiden jungen Menschen grenzt ans Stümperhafte). Ein übriges tun die ständigen verwirrenden und unbegründeten Rückblenden und einige ärgerliche Schlampigkeiten von Lektor oder Übersetzer.

Schade, der erste Teil hätte sich vielleicht gut für eine Kurzgeschichte geeignet. Verschenkt in diesem Rahmen auch die witzigen Wortwechsel zwischen Vater und Sohn. Die reichen nicht aus, um einen Roman zu füllen.

Peter Eisenburger, 1991.

Abgebildete Ausgabe:
3 x täglich Charlie Barber
Aus dem Englischen von Siv Bublitz.
Einband von Diana Becker.
Cecilie Dressler Verlag, Hamburg 1990. 204 Seiten.
DM 18,80.

Englische Erstausgabe:
The Charlie Barber Treatment.
Julia McRae Books, London 1989. 156 p.

Nachbetrachtung

Interessant ist der Name der Übersetzerin: Siv Bublitz. Als das Buch erschien, studierte sie noch und verdiente sich als Übersetzerin ein schönes Zubrot. Nach ihrer Promotion mit einem Beliebigkeitsthema (“Linguistische Pragmatik”) machte sie eine glänzende Karriere im Verlagswesen, die sie bis an die Spitze des S. Fischer Verlages führte.

Hier fiel Frau Bublitz im Jahr 2020 auf, als sie die bekannte, 1988 aus der DDR in den Westen übergesiedelte Autorin Monika Maron im Alter von 80 Jahren und nach 40 Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit wegen “rechter” Kontakte fristlos kündigte. Monika Maron hatte einen jüdischen Großvater, der in der NS-Zeit ermordet wurde. Sie selbst wurde schon in der DDR zensiert und ständig observiert. Sogar “Die Zeit”, früher selbst rechtsliberal, jetzt ultra-woke, fand die (diese!) Kündigung nicht so ganz in Ordnung. “Ein herzenskalter Akt” titelte sie ein bisschen, nun ja, manieriert.

Zwei Jahre später musste Frau Bublitz selbst gehen, in
– wie es lächerlicher- und durchsichtigerweise hieß – gutem beiderseitigem Einvernehmen und in Anerkennung ihrer ausgezeichneten Arbeit, nach Insider-Informationen aber in Wahrheit, weil sie den Fischer Verlag zu sehr marktorientiert geführt habe – und war dies nicht auch irgendwie “rechts”, “neoliberal” und wie die Kampfbegriffe der Linken noch so heißen?

Die Qualität der Übersetzung habe ich nicht geprüft. Nur eins: was wäre beim deutschen Titel einzuwenden gewesen gegen “Die Charlie Barber Behandlung” (oder -“Therapie”)? Das hätte doch Pep gehabt. –

Die Titelillustration gefällt besser als die der Originalausgabe. Eine schöne Arbeit der Künstlerin Diana Becker. Nur fand ich es damals bei der Erstbesprechung schon irritierend, dass man im ersten Moment einen Jungen zu erblicken glaubt. Hinzu kommt die Verwirrung mit “Charlie”, der in Deutschland eher als männlicher Name verstanden wird.

20. Oktober 2024.

linie

Hochgeladen am 10. November 2024.

linie