1951. Der erste Jahrgang des Wettbewerbes “Die schönsten deutschen Bücher”. - Die Bundesrepublik wurde vor zwei Jahren gegründet, vor sieben Jahren endete der Zweite Weltkrieg und mit ihm die barbarische NS-Diktatur. In Bonn regiert seit 1949 Konrad Adenauer mit hauchdünner Mehrheit. So, wie Deutschland aus den Trümmern wieder aufgebaut wird, entsteht erst nach und nach wieder ein Kulturleben. Ein Spiegel dieser Entwicklung ist die Literatur und dieses Verzeichnis.
Wie in dem Auswahlband sehr schön festzustellen ist, greift man in einer Wiederbesinnung zurück auf die besten demokratischen und humanistischen Traditionen Deutschlands vor 1933. Eine neue Eigenentwicklung (Nachkriegsliteratur) ist bislang kaum entstanden. Dabei kommt es aber noch nicht zu einer konsequenten Distanzierung von faschistisch belasteten Personen wie Ernst Bertram – dessen 1951 erschienenes Buch, noch gedruckt in Frakturschrift, fand Eingang in das Auswahlheft.
Eine persönliche Auswahl
Die schönsten Bücher des Jahres 1951
Das Auswahlheft ist schlicht, dünn und von einem einzigen weißen Faden zusammengehalten. Es ist in einem neutralen Grau und im klassischen Taschenbuchformat.
Der Einband ist weich und etwas querschraffiert. Das Papier ist sehr hochwertig. Nach mehr als 60 Jahren sind keinerlei Alterungserscheinungen des mir vorliegenden Exemplars festzustellen. Die Schrift ist eine traditionelle, gediegene Antiqua Imprimatur, das Layout kommt sachlich, nüchtern und übersichtlich. Es gibt keine Abbildungen der ausgewählten Bücher und es finden sich keine Angaben zu den Auswahlkriterien oder zum Inhalt der Werke.
Der Buchmarkt war 1951 noch nicht so entwickelt, dass die eigentlich angestrebte Zahl von 50 zu prämierenden Büchern erreicht wurde. Vorgestellt werden deshalb 20 Bücher aus verschiedenen Bereichen mit den wichtigsten Titel- und Verlagsangaben. Vertreten sind neben den unten vorgestellten Werken unter anderem Almanache, klassische Werke der Literatur (Goethe, Don Quijote von La Mancha) und der Wissenschaft (Johannes Kepler). Es wurde auch ein Werk aus der Medizin (Anatomie) sowie eine christlich-philosophische Schrift ausgewählt.
Breiten Raum nimmt das ein, was man heute als deutschsprachige Weltliteratur bezeichnet, vertreten etwa durch Ricarda Huch und Thomas Mann.
Ricarda Huch: Die Romantik wurde in einer Sonderausgabe prämiert, gebunden, im klassischen Romanformat, eigentlich Standard, aber ungemein aufgewertet mit einem edel wirkenden, in schwarz-weiß gehaltenen Schutzumschlag, entworfen von Walter Brudi, auf dem weiß auf schwarz in Schreibschrift „Die Romantik” steht, wobei die zwei Wörter ineinander verschlungen sind, so wie es der romantische Charakter eben auch vorsieht.
Aber warum nur hat mich nie ein Lehrer bekannt gemacht mit der geradezu bestürzenden Schönheit der “Romantik” und mit dieser Dichterin Ricarda Huch, von der Alfred Döblin sagte: “Ihr werdet niemals ihresgleichen sehen” und die Thomas Mann für dieses Werk mit den Worten auszeichnete: „Das Höchste in Deutschland, gar in der Welt”.
Im Frühjahr und Frühsommer 2014 ist dieses Buch ein ständiger Begleiter auf meinen Wegen und verhilft mir zu abgrundtiefer Erkenntnis.
Theodor Heuss: Deutsche Gestalten stammt wie “Die Romantik” aus der Reihe der gediegenen und handwerklich gut gemachten „Bücher der Neunzehn” (= 19 Verlage). 53 Kurzbiographien von deutschen Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts, vorwiegend aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik, sind hier versammelt.
Der Grund, warum Politiker ausgespart blieben, ist klar. Die Aufsätze erschienen erstmalig bereits in den Jahren 1938 bis 1943 anonym in der Frankfurter Zeitung. Auffällig das breite Wissen von Theodor Heuss sowie der verbindliche, nie zuspitzende und gewissermaßen staatstragende Ton des damaligen Bundespräsidenten.
Hier wurde ich zum ersten Mal mit Ernst Abbe bekannt gemacht, der Persönlichkeit, der in der Entwicklung der Optik so große Bedeutung zukommt, und zudem eine ungewöhnliche und faszinierende Persönlichkeit.
Mehrere Bücher sind nicht besonders „schön”, aber einfach handwerklich solide gemacht. Manchmal bringt der Schutzumschlag ein bisschen Ästhetik hinein. Die Umschläge entwickeln sich immer mehr (ähnlich wie später die Platten-Cover) als Plattformen für Kunst. („Bewertet nach Druck, Bild und Einband”).
Wunderbar lässt sich an der Gestaltung der Schutzhüllen die Entwicklung und Entstehung der Kunst- und Grafikrichtungen als auch der Möglichkeiten ihrer technischen Umsetzung ablesen. In der Regel sind es Kunst-Professoren und Grafiker, die die Schutzumschläge gestaltet haben, wie Walter Brundi oder Conrad Westpfahl. Auf den Schutzumschlägen taucht punktuell auch ein bisschen Farbe auf.
Beim Taschenbuch geht die Farbigkeit schon eher. Und so lebt der S. Fischer Almanach: Das 65. Jahr von seinem imponierenden Cover. Im Buch gibt es kleine Texte von Fischer-Autoren von José Arabuena bis Stefan Zweig.
Einige hochwertige Kunstbände wurden aufgenommen, teilweise in klein limitierter Auflage (Der Prophet Jona, illustriert von Gerhard Marcks, längst vergriffen, heute sündhaft teuer
Ebenso für die Weimarer Republik steht eine Monographie des Prestel Verlags (noch heute spezialisiert auf Kunstbände) über Oskar Schlemmer, den bekannten und genialen Vertreter des Bauhauses, dessen Werke unter der Nazi-Diktatur als „entartete Kunst” verfemt wurden. Das Multi-Talent Oskar Schlemmer war unter anderem Maler, Grafiker und Bühnenbildner. Dieses Werk, versehen mit einer ausführlichen Einleitung des Kunsthistorikers Hans Hildebrandt sowie einer kommentierten Werkschau, wurde im DIN A4 - Format gedruckt. Neben vielen Schwarz-Weiß-Abbildungen enthält es außer dem Schutzumschlag noch 8 Farbreproduktionen, was zu dieser Zeit als luxuriös galt.
Es wurden noch ein weiterer Bildband über Alt-Frankurt aufgenommen.
Immer wieder ist es auch das Handwerk des Büchermachens selbst, das in besonders ansehnlichen Bänden vorgestellt
wird. Da ist Kunsthandwerkliches und Bibliophiles vertreten.
Der voluminöse Band Die Kulturgeschichte des Papiers beinhaltet unter anderem echtes Papyrus.
Der Almanach der Letternkunst stellt in Kalenderform Zitate rund um das Thema Schrift in jeweils unterschiedlichen Schriftarten vor. Wir befinden uns im Jahre 1951 und Schriften werden noch gegossen. Fotosatz ist erst in der Entwicklung begriffen und Desktop Publishing liegt in einer fernen Zukunft.
Für Mode und Stil der Zeit bzw. des vorhergehenden Jahrzehnts steht Maggy Rouff: Philosophie der Eleganz (La Philosophie d’Elégance). Hier steht alles unter dem Blickwinkel von Mode, Eleganz, aber auch Stil, Haltung und Charakter.
Maggy Rouff beschreibt das Leben von eleganten Damen im Paris der 1940er Jahre aus der Sicht einer Mode-Designerin. Sie versucht auch, das Weibliche, das Feminine in der Gesellschaft und in der ganzen Geschichte aufzuzeigen.
Als ich anfing, das Buch zu lesen und ein Lesezeichen suchte, griff ich nach dem Quittungsbeleg einer Wetzlarer Papierhandlung – unterzeichnet: „M. Quandt” (Mary Quandt).
Maggy Rouff hat schriftstellerisches Talent, eine schöne, poetische Sprache sowie sehr gute und feine Beobachtungsgabe, Witz und Humor inbegriffen.
Hardcover mit farbigem Schutzumschlag. Angenehmes Hochformat mit großer Schrift und hohem Zeilenabstand und großen Rändern, v. a. unten. Schöner farbiger Schutzumschlag und Schwarz-Weiß-Illustrationen von Conrad Westpfahl.
Hochgeladen am 8. Juli 2014; zuletzt aktualisiert am 23. Juli 2023.
Die auf dieser Seite vorgestellten Bücher wurden unter anderem geliefert von: Antiquariat Ballon + Wurm (Auswahlheft), eurobook-nbw (Ricarda), net-antiquariat (Fischer-Almanach), Antiquariat Olaf Drescher (Oskar Schlemmer), Badorfer Antiquariat (Letternkunst) und Antiquariat Hofmann (Maggy Rouff).