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Gentle Giant: Three Friends
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Das 1972 veröffentlichte Konzeptalbum „Three Friends” von Gentle Giant gehört für mich zu den bedeutendsten Werken der progressiven Rockmusik und kann in eine Reihe mit Alben wie „Tarkus” von Emerson, Lake & Palmer oder „Close to the Edge” von Yes, beide aus dem selben Jahr, gestellt werden.

Die dritte LP von Gentle Giant stellte den Abschluss ihrer kreativsten und innovativsten Phase dar. Das Folgealbum „Octopus” (ebenfalls aus 1972) – obwohl unter den Fans wohl das populärste der Gruppe – markierte in meinen Augen bereits den Übergang zu griffigeren, konventionelleren, wenn auch noch nicht kommerzielleren Kompositionen, zu denen die Gruppe später ab dem Album „Free Hand” (1975) überging. „Three Friends” ist leider auch das letzte Album, auf dem Schlagzeuger Malcom Mortimore mitwirkte, für mich mit seinem lockeren, sich nie in den Vordergrund drängenden Stil für Gentle Giant der bessere Schlagzeuger im Vergleich zu dem harten, rockigen Spiel von John Weathers, seinem Nachfolger.

Musikalisch geht „Three Friends” zwar nicht mehr so viele neue Wege wie das Vorgängeralbum „Acquiring the Taste” (1971), dafür ist „Three Friends” wie aus einem Guss, dennoch unglaublich spannend und abwechslungsreich. Die musikalische Virtuosität der fünf englischen Multiinstrumentalisten ist ohnehin bekannt, wirkt aber auf diesem Album nicht so verspielt wie an anderer Stelle.

„Three Friends” erzählt die Geschichte von drei Schulfreunden, die in ihrem späteren Leben völlig getrennte Wege einschlagen und so die englische Klassengesellschaft des 20. Jahrhunderts widerspiegeln.

Meine Lieblingsstücke:

Das einleitende „Prologue” variiert eine simultan von Bass, Gitarre und Synthesizern intonierte und beschwingt von Piano und Schlagzeug untermalte Melodie, die man sich als ein fröhlich von Schuljungen geträllertes oder gesummtes Lied vorstellen könnte – wäre da nicht der kraftvoll vorwärtstreibende Rhythmus und eine bisweilen bedrohlich verzerrte Synthesizerlinie, welche die unweigerlich voranschreitende Zeit andeuten sollen.

„Prologue” in moderner Klangqualität lässt mir auch nach 36 Jahren noch Schauer über den Rücken laufen: Dieses Lied ist für mich in seiner Instrumentierung, seinem Rhythmus und seinen Harmonien absolute Musik, die ewig weitergehen könnte.

Mit „Working All Day” geben Gentle Giant eine Hard-Rock-Einlage. Mit mehrstimmigen, tiefen Saxophonen, jaulender, keuchender Hammond Orgel, elektrischer Gitarre und kraftvollem Gesang wird der nervenzerfetzende Alltag eines Straßenarbeiters akustisch wiedergegeben, dessen Kindheitsillusionen im Rhythmus des Presslufthammers zu Staub zermahlen werden. Einem solchen Stück trotzdem noch etwas schwingendes unterzulegen, das können nur wahre Meister.

Ähnlich kongenial fühlen Gentle Giant sich mit dem kreischenden „Peel the Paint” in das von Emotionen und Leidenschaften zerrissene Leben eines Künstlers ein und reflektieren mit dem sachten, kontrollierten „Mister Class and Quality” die zynische Gedankenwelt eines Geschäftsmannes. Das abschließende, hymnische Titelstück „Three Friends” schließt mit seinem wundervollen Melodiebogen wieder an das melancholische zweite Stück „Schooldays” an und beendet ein perfektes Album.

Die remasterte Edition von Repertoire aus dem Jahr 2008 ist mit einem Wort als exquisit zu bezeichnen. Die Tonqualität ist überragend. Der Klang ist voll, klar und sauber, die originale Abmischung wurde strikt beibehalten. So soll es sein! Man hört „Three Friends” eben nur in heute angemessener Tonqualität und völlig ohne Kratzer. Ein leichtes Rauschen vom Masterband bleibt auf meiner Anlage bei hoch aufgedrehter Lautstärke erhalten.

Die sogenannte Digipak-Hülle imitiert bis ins kleinste Detail das ursprüngliche Cover. Da aufgrund der Verkleinerung die Innentexte schwerer zu lesen sind, hat Repertoire Records aber daran gedacht, auf einem kleinen Poster die aufgeklappte Innenhülle der Original-LP von Vertigo nochmals in augenfreundlichem Format mitzuliefern, ergänzt auf der Rückseite durch eine Einführung in das Album vom Musikjournalisten Chris Welch.

Peter Eisenburger, 23. Februar 2008.

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Hochgeladen am 15. September 2021.

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