Schöne Städte Deutschlands
Büdingen (Oberhessen)
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“Wer Büdingen betritt, begibt sich auf eine Zeitreise.”
Tatsächlich findet man hier ein historisches Ortsbild “von seltener Geschlossenheit”, so schreibt es der Kunstdenkmalführer Dehio.

Und auch für den Verfasser ist es eine Zeitreise in ein früheres, besseres Leben.

Wer nach Büdingen kommt, befindet sich auch in einem ungewöhnlich milden und warmen Klima. Die Vogelsberghänge hat man hier verlassen, besser noch: sie schützen vor den kalten Nordost-Winden. Man befindet sich am Rande der nach Südhessen hin geöffneten Wetterau.

Und so schrieb auch die Topographia Hassiae im Jahre 1655: “Der Boden herumb trägt zum theil auff den Hügeln Wein”.

Charakteristisch für Büdingen ist vor allem die fast vollständig erhaltene Stadtbefestigung, die in den ältesten Teilen über 500 Jahre alt ist. Die charakteristischen Rundtürme und die Mauern schienen früher viel höher, aber im Laufe der Jahrhunderte wurde das Gelände immer mehr aufgefüllt.

Dabei hat die West- und die zu den Berghängen hin liegende Nord-Seite der Befestigung eine deutlich andere, rauere Anmutung als die liebliche, sonnenverwöhnte Südseite am Seemenbach.

Leider ist die Stadt dazu übergegangen, an mehreren Stellen hässliche Gitter aus Aluminium anzubringen. Was sagt der Denkmalschutz dazu?

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Hier, ganz im Süden der Altstadt, gibt es zwischen der Stadtmauer mit ihren Türmen, hinter der der Seemenbach fließt, und der rückwärtigen Seite der an der Schlossgasse stehenden Häuser einen wunderbaren Grünstreifen, für mich die schönste Stelle von Büdingen.

Eine Dame, die ich nach dem Namen des “Flusses” fragte, reagierte sehr freundlich und ein bisschen auch erstaunt, dass hierhin Fremde kommen und wissen wollen, wie die Namen der Gewässer heißen. Überhaupt waren einige nette und aufgeschlossene Menschen unterwegs – wenn man auch nicht viele Passanten sieht.

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Oben der typische Blick von der Mühltorstraße auf die Altstadt mit den drei Turmspitzen: Marienkirche, Schlaghaus, ehemalige Lutherische Kirche. Hinter der unansehnlichen Alu-Absperrung fließt der Seemenbach. Wieviel schöner und passender (auch billiger?) wäre ein einfacher Staketenzaun aus Holz gewesen.

Links der rückwärtige Trakt des “Steineren Hauses” (siehe unten), eines Anfang des 16. Jahrhunderts erbauten Adelssitzes.

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Weg in die Altstadt: Jerusalemer Tor

Normalerweise wird man als Besucher irgendwo im Bereich der Bahnhofstraße oder der Vorstadt (dort eine der großen Attraktionen des Büdinger Sommers: das Eiscafé Venezia) parken, vielleicht auch in einer ruhigen Seitenstraße.

Dann geht es durch das “Jerusalemer Tor”. Hier sieht man gleich einige interessante Gebäude. Links ein Wachturm und die ehemalige Poststation. Am 5. August 2001 war hier noch das Kino mit mexikanischer Gaststätte.

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Alternativer Weg in die Altstadt: An der nördlichen Stadtmauer (“Am Gebück”) entlang durch das Obertor zum historischen Oberhof

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Wir aber gehen zurück und wandern (wie beim ersten Mal) an der nördlichen Stadtmauer entlang. Die Straße heißt “Am Gebück”, benannt nach dem früher hier am Hang als Schutzhecke gepflanzten undurchdringlichen Hainbuchendickicht.

Auf der Höhe der Obergasse gelangen wir durch das Obertor in den 1569-73 erbauten Oberhof mit dem im Renaissance-Stil gehaltenen Haupthaus und  beachtlichen weiteren historischen Gebäuden. Man kann hier auch ein Stück auf der Stadtmauer entlang gehen und hat einen prächtigen Blick, auch herüber zum Zentrum der Altstadt. Im Oberhof ist im Sommer eine Bühne für Veranstaltungen.

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Einige Gassen in Büdingen, wie hier der enge Bereich der Obergasse südwestlich vom Oberhof, zeigen sehr gut erhaltene und liebevoll restaurierte Häuser der einfachen Bürger, hier überwiegend Gebäude vom 15.-17. Jahrhundert.

Der für diesen Bereich typische vorgelagerte kleine Hof muss in der damaligen Zeit beachtlichen Wohlstand bedeutet haben.

Die meist eng an eng gebauten, traufständigen Häuser haben meist Gauben, mit denen die Wohnfläche in den Obergeschossen vergrößert wurde.

Nachteil der traufständigen Bauweise war, dass sich Feuersbrünste über die mit Stroh gedeckten Dächer rasend schnell ausbreiten konnten. In Büdingen war der letzte große Stadtbrand 1590. Damals wurden 48 Häuser mit Scheunen und Ställen zerstört.

In der später entstandene Neustadt stehen die Häuser mit dem Giebel zur Straße.

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Wir gehen zurück zum Hain, wandern nach Osten, machen einen weiten Bogen, vorbei an der traurig verfallenen Gärtnerei, und gehen über die kleine Brücke auf das Schlossgelände.

Kaum sind wir über die Brücke, sehen wir schon das eindrucksvolle ehemalige Brauhaus.

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Bild ca. 1950. Aus: “Schloss Büdingen” (s. Literatur).

Geschichte

Die Herren von Ysenburg (je nach Zeit und Herrschaftssitz auch mit “I” geschrieben) stammten aus der Burg Isenburg im Westerwald. Durch geschickte Heiratspolitik erlangte man 1376 die Kontrolle über das Gebiet von Büdingen, das zeitweise bis an die Kinzig reichte.

Anfang des 16. Jahrhunderts kam es zur Teilung zwischen Isenburg-Büdingen und -Birstein, womit der Abstieg begann. Weitere Teilungen folgten.

Auf dem Wiener Kongress 1815 wurden alle verbliebenen Kleingebiete von Isenburg zwischen Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt aufgeteilt.

Das Schloss

Das Büdinger Schloss hat eine eigentümliche Aufteilung in Vorburg und Hauptburg. Die nach Westen ausgerichtete, eine Hufeisenform bildende Vorburg besteht im Wesentlichen aus Wirtschaftsgebäuden. Die ein dreizehnseitiges Vieleck bildende Hauptburg (oder Kernburg) war ursprünglich eine Wasserburg, die vom Seemenbach umflossen wurde. 

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Das beachtlichste Gebäude am Schlossplatz ist das “Merlau’sche Burgmannenhaus” (rechts unten mit den blauen Fensterläden).

Wir gehen nun in die Schlossgasse hinein, wo uns einige weitere, eindrucksvolle Bürger- und Adelshäuser erwarten, in einem auch die “Schlossstuben” mit ihrem Linderung bringenden schattigen Garten untergebracht.

Berühmt ist der 1511 erbaute Adelssitz “Steinernes Haus” an der Ecke Schlossgasse / Altstadt.

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Unten das “Steinerne Haus”, von der Altstadt aus gesehen (Hochformat) und von der Schlossgasse.

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Gegenüber der Schlossgasse blicken wir in die Kirchgasse. Die Evangelische Stadtkirche (Marienkirche) wurde im Wesentlichen im 14. und 15. Jahrhundert erbaut. Eine Vorläuferkirche wurde dabei teilweise verwendet, deshalb auch der eigentümlich abgesonderte Turm.

Eine der Besonderheiten ist das Gewölbe. An den Kreuzpunkten der Rippen hängen über 100 Tafeln mit Wappen und Gemälden.

Das große Epitaph zeigt Anton I. von Ysenburg mit seiner Gemahlin Elisabeth von Wied. Unter ihrer Herrschaft wurde ab 1543 die Reformation eingeführt.

Mich erwartete ein außergewöhnliches Erlebnis, als ich die Kirche betrat. Eine Musikerin spielte auf der Querflöte ein geistiges Lied. Der brüllend heiße Tag draußen, der kühle, schattige Raum der Kirche, die getragene stimmungsvolle Musik, ein gutes, verständnisvolles Gespräch. Was für ein Abschluss.

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Büdingen ist seit 1321 Stadt. Hier entwickelte sich eine selbstbewusste Bürgergesellschaft, wie sich vielen aufwendigen Stein- und Fachwerkhäusern erkennen lässt. Oben das Historische Rathaus, erbaut 1458. Im Erdgeschoss war ursprünglich Platz für Kaufstände.

Damit wären wir beim Thema Marktplatz. Die Häuserzeile an der nördlichen Seite des Marktplatzes mit dem Evangelischen Gemeindehaus und dem an den Küchenbach erinnernden Denkmal mochte ich immer ganz besonders.

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Mit den Fotos des Rosenbusches am Meliorschen Haus und des klassizistischen Gebäudes der 1910/11 erbauten Stadtschule beschließen wir den an einem sehr heißen Tag Ende August 2018 unternommenen Rundgang durch Büdingen.

Equipment: Nikon D700, Nikkor 50/1.4G, 28/1.8G.

Literatur:
Dehio. Hessen II. Deutscher Kunstverlag. München 2008.
Karl Dielmann: Schloss Büdingen. Fürstliches Schlossmuseum. 7. Auflage 1979.

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