Rheinromantik
Deutsches Eck
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Ein traditionelles Ausflugsziel, das doch immer wieder neue Anregungen bieten kann, ist Ehrenbreitstein bei Koblenz. Auf beiden Seiten des Rheins lassen sich ganz unterschiedliche Eindrücke gewinnen.

Die Festung Ehrenbreitstein und ihre Geschichte

Ehrenbreitstein mit der mächtigen Festung auf einem zum Rhein hin steil, teilweise fast senkrecht abfallenden Felsen hat eine wechselhafte und interessante Geschichte. Der Ehrenbreitstein war schon immer als strategisch wichtiger Posten gegenüber dem Zusammenfluss von Rhein und Mosel von höchster Bedeutung zunächst für regionale, ab dem Jahr 1799 im Gefolge der von der Französischen Revolution ausgelösten Veränderungen auch für europäische Mächte.

Rund 800 Jahre lang war es die regionale Großmacht Kurtrier, das kirchliche Fürstentum, welches Burg und Festung Ehrenbreitstein zu seiner Bastion und die Anlagen unten am Rheinufer zu einem Regierungs- und Verwaltungssitz machte.
Dann kamen die Revolutionskriege und Napoleon. Frankreich löste den Kirchenstaat Kurtrier auf, besetzte Koblenz und brachte auch die Festung in seinen Besitz. Der Reichsdeputations-
hauptschluss 1803 übereignete die Festung kurzzeitig Nassau-
Weilburg, ehe von 1806 bis 1815 das Herzogtum Nassau hier sein Amt Ehrenbreitstein hatte.

Preußen als einer der Siegermächte der “Befreiungskriege” setzte auf dem Wiener Kongress 1815 seine Territorialinteressen auch hier im Westen entschlossen durch und bemächtigte sich der
Stadt Koblenz und der Festung, die nach allen Regeln der damaligen Festungstechnologie ausgebaut wurden. Krieg gab es hier zum letzten Mal 1945. Heute kommt man wegen der Aussicht, für Kaffee und Kuchen oder auf eine Veranstaltung.

Ehrenbreitstein
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Ehrenbreitstein

In der preußischen Rheinprovinz verblieben Stadt Koblenz und Ehrenbreitstein bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 1946
kam man dann zum neuen Bundesland Rheinland-Pfalz.

Hauptstadt wurde 1950 jedoch Mainz, obwohl Koblenz zunächst diese Funktion innehatte.

Nikon D700,  50/1.4G, 28/1.8G. Auf die Previews klicken.
Die Aufnahmen entstanden Anfang Oktober 2014.

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Besuch auf der Festung

Die Festung ist von zwei Seiten erschlossen. In die Ausstellungs-
räume und auf den großen Schlosshof kommt man nur von Norden über das Plateau mit seinen riesigen Parkplätzen. Man muss nicht zu wenig Eintritt zahlen. Auf der großen Terrasse gibt es einen einfachen Kiosk mit Kuchen und Kaffee sowie ein gehobeneres Restaurant. Vormittags – wie überall auch hier die beste Besuchszeit – ist es angenehm ruhig. Von der Terrasse hat man einen herrlichen Blick.  Deutsches Eck, Rhein und Mosel, Koblenz mit Vororten, die Eifel.

In der Festung Ehrenbreitstein gibt es lohnende Ausstellungs-
und Kulturangebote. Man kann sich leicht verlaufen, deshalb einen Plan mitnehmen.

Alternativ gibt es von Süden, vom Rheinufer aus, einen schönen Fußweg bis weit in die Festung hinein. Dieser Weg, der sogenannte “Felsenweg”, ist wenig touristisch, also authentisch. Man hat ebenfalls tolle Ausblicke. Wenn man keine Ausstellungen besuchen und auch nicht auf die Terrasse will, für die es von hier keinen Zutritt gibt, ist dieser Weg unbedingt zu empfehlen. Auf dem Felsenweg stand ich das erste Mal, als ich noch mit dem R4 unterwegs war und Türkenkost gedreht habe.

Vom oberen Plateau fährt die umstrittene Seilbahn, die eigens zur Bundesgartenschau 2011 errichtet wurde und nun doch länger betrieben werden darf, ohne Wartezeiten zum anderen Rheinufer hinunter, wo man ein bisschen flanieren und das Deutsche Eck besichtigen kann.

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Ehrung für preußische Reaktion und Konterrevolution

Sieht man heute die Anlagen, könnte man denken, wie schön, dass heute über die Inkarnation von Krieg und Gewalt Gras wächst, jedoch währen solche Traditionen offenbar lange fort... Die Festung hat heute noch eine militärische Bedeutung, was man daran sieht, dass mehrere Gedenktafeln von der Bundeswehr bzw. einem BW-
Freundeskreis gepflegt werden.

Das 1972 im Inneren der Anlage errichtete große Denkmal mit einer Skulpturengruppe “Den Toten des deutschen Heeres” kann man an sich als stilvoll empfinden. Wie üblich stört die Aussage, die Soldaten hätten “für Deutschland” ihr Leben gegeben und nicht für verbrecherische Ziele eines Regimes von Massenmördern. Man vermisst auch eine Ehrung der Opfer. Es bleibt aber alles im gewohnten Rahmen.

Jedoch ist man perplex, wie ungeniert vor dem Südeingang der Festung den Traditionen der Reaktion und des preußischen Militarismus gefrönt wird.

Mehr als befremdlich erscheint die Würdigung von Offizieren und Soldaten, die bei der blutigen Niederwerfung der Revolution von 1848/49 tätig waren (siehe Gedenktafel). Es handelt sich speziell um den Einsatz des Infanterieregiments von Goeben beim Einsatz gegen die Badische Revolution. Der Befehlshaber Karl von Goeben selbst war dabei führend mit tätig im Generalstab des “Kartätschenprinzen von Preußen”, des späteren Kaisers Wilhelm I., der auf der anderen Rheinseite sein eigenes Denkmal hat – welch schaurige Combo, dem die Stadt Koblenz da huldigt.

Andere sind empfindlicher mit dem Namen Karl von der Groeben umgegangen, der den “Geist des Eroberungskrieges, der Okkupation und des Heimatverrates” trage...

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Der Fels: 400 Millionen Jahre

Absolut faszinierend ist die Geologie des Ehrenbreitsteins.

Man geht hier an einem Felsen hoch, dessen Gesteinsschichten 400 Millionen Jahre alt sind. Bei den verschiedenen Schichten handelt es sich abwechselnd um Tonschiefer und Sandstein. Zu dieser Zeit, in der sogenannten Oberems-Phase des Devons, war hier ein weites, flaches Meer. Der nächste Kontinent hatte seine Ufer in Norddeutschland und erstreckte sich über England und Grönland bis nach Nordamerika. Es war der Kontinent Laurussia oder heute auch Old-Red-Kontinent genannt.

An einigen Stellen (nicht im Bild) sind Lagen von Muscheln und Schneckenhäusern eingestreut. Diese entstanden nach den Angaben von Geologen bei Sturmfluten, sogenannten “Tempestiten”, als riesige Mengen dieser Schalentiere von ufernahen Regionen ins Meer gespült wurden.

Das Verrückte ist, dass die unteren Schichten, also auf den Bildern die nach rechts liegenden, die jüngeren sind! Denn der
Boden wurde durch die Kontinentaldrift an dieser Stelle praktisch über Kopf geworfen!

Literatur:

Schäfer/Stets: Geologie, Paläogeographie und Beckenanalyse im Rhenoherzynikum am Beispiel des Rheinprofils. Decheniana, 161 (2008), S. 93-110. In seinem rigorosen fachwissenschaftlichen Duktus für Nicht-Geologen weitgehend unverständlich
(“Rekonstruktion der siliziplastischen Paläoenvironments” etc.).

Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz (Hg.): Geologie von Rheinland-Pfalz. Stuttgart 2005.

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Ehrenbreitstein
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Militarismus am Deutschen Eck

Deutsches Eck

Rheinromantik stellt sich am Deutschen Eck, dem Zusammen-
fluss von Vater Rhein und Mutter Mosel, nicht gerade ein. Dafür haben die Preußen ganze Arbeit geleistet.

Auch rheinaufwärts am Niederwald steht mit der Germania ein Denkmal. Diesem ist jedoch bei allem gewollt “Monumentalen” etwas Künstlerisches, Prachtvolles
nicht abzusprechen. Es erzählt auch eine Geschichte, die des Deutsch-Französischen Krieges mit all seinen Toten.

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Das Reiterdenkmal am Deutschen Eck hingegen ist reine Selbstinszenierung und militaristische Verherrlichung eines Monarchen. Kurt Tucholsky schrieb 1930:

“Ich sah hoch … und fiel beinah um. Da stand ein riesiges Denkmal Kaiser Wilhelms des Ersten: ein Faustschlag aus Stein.”

Die ursprünglich 1897 errichtete Skulptur war dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen. Die Wiedererrichtung war umstritten. Zunächst von der CDU-Landesregierung 1990 beschlossen, versuchte die folgende SPD-Landesregierung den Beschluss wieder zu kippen, was aber durch die geschickte Taktik des konservativen lokalen Zeitungsbarons Theisen nicht mehr gelang. Heute rechtfertigen  touristische “Attraktionen” auch ein zweifelhaftes, rückwärtsgewandtes Geschichtsbild.

Noch ärger ist die Gestaltung des Sockels und der Balustrade. Hier prangen seit 1950 nicht nur die Wappen der Bundesländer (seit 1990 auch der neuen), sondern auch von Pommern, Schlesien und Ostpreußen, welche nach Auffassung der verantwortlichen Behörden wohl immer noch “unter polnischer und sowjetischer Verwaltung” stehen, wie es in den alten Erdkundebüchern hieß.

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Gretchens Garten
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Gretchens Garten

Nun zum schönsten Teil, denn es fehlt noch die Rheinromantik. Den zauberhaftesten Platz gelang es mir, nur wenige hundert Meter rheinabwärts von Ehrenbreitstein in der Gemarkung
Urbar zu entdecken. Hier gibt es ein Restaurant namens “Gretchens Garten”. Man sitzt bei sehr guter, mediterran angehauchter Küche, ausgesuchten Weinen, nettem Personal, schattenspendenden Bäumen und in großer Ruhe direkt am Rhein und kann nun wirklich einmal, wie man vor ein bis zwei Jahrzehnten zu sagen pflegte, “die Seele baumeln lassen”.

Interessant die Ausblicke. Auf der gegenüberliegenden Seite der Koblenzer Stadtteil Neuendorf, rheinabwärts Vallendar und die Insel Niederwerth.

Die Zufahrt ist abenteuerlich und ohne Navi niemals zu finden. Aber gut so! Es ist nicht überlaufen.

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