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Beilstein im Westerwald

Beilstein – Aufstieg und Niedergang einer Residenz

Wohl keine nassauische Residenz – und es waren viele – hat einen solchen Bedeutungsverlust erfahren wie Beilstein. Zunächst residierten hier die Herren von Beilstein und Greifenstein, als Raubritter allseits unbeliebt. Seit Mitte des 12. Jahrhunderts hatte aber Nassau in der Gegend das Sagen, von 1343 bis 1561 gab es eine eigene Dynastie Nassau-Beilstein. Schon vorher hatte man sich die Burg ausgebaut. 1321 gab es Stadtrechte.

1606 wurde mit dem tatkräftigen Georg von Nassau-Beilstein erneut eine eigene Linie begründet, die 1620 die Erbschaft von Nassau-Dillenburg antrat. Georg zog nach Dillenburg und die kleine Grafschaft Beilstein wurde aufgeteilt. Das sogenannte “Stuhlgebiet” um Rennerod, Höhn und Hölzenhausen kam an Nassau-Hadamar,  Beilstein selbst an Nassau-Diez, somit nur noch weit abseits an der Peripherie gelegen. Das war das Ende der gar nicht mal so kurzen, glanzvollen Geschichte von Beilstein als Residenzstadt.

1739 wurde auch die komplette Grafschaft Dillenburg, die ohne männlichen Thronnachfolger geblieben war, von Diez übernommen. Die Dynastie Nassau-Diez war unterdessen nach Den Haag übergesiedelt und nannte sich Oranien-Nassau. In Dillenburg unterhielt man damals eine Provinzregierung für das Siegerland und den Westerwald, die recht fortschrittlich war. In Beilstein gab es immerhin noch einen Amtmann mit einem kleinen Verwaltungsstab. So blieb es, bis Napoleon kam und damit das Intermezzo des Großherzogtums Berg. Ab dem Wiener Kongress 1815 gehörte Beilstein dann zum Herzogtum Nassau. 1866 kamen die Preußen und seit 1946 gehört Beilstein zum Bundesland Hessen.

Das Schloss fing schon seit dem 17. Jahrhundert an zu verfallen. 1812 wurde es auf Abbruch versteigert.

1976/77 begannen Renovierungsarbeiten und seit 1982 werden wieder Teile des Schlosses als Heim für Behinderte sowie für eine Privatwohnung genutzt. In den Jahren 1997–2003 erfolgte der Aufbau von Zink-Blauglas-Elementen, am aufwendigsten am ehemaligen Palas. Die Ästhetik ist wohl anfechtbar, aber immerhin wird das traditionsreiche Schloss wieder auf Dauer genutzt.

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Die Aufnahmen entstanden
Anfang Juli 2018, an einem der wenigen Tage dieses endlosen Sommers, an dem es nicht heiß und der Himmel nicht blau war.

Nikon D850
Nikkor AF-S 24-85 mm 1:3,5-4,5G ED VR.

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Literatur:

Dehio. Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hessen I.
Deutscher Kunstverlag. München 2008.

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Die Gefangenschaft der Anna von Sachsen

Traurige, man könnte schon sagen: Weltberühmtheit errang Beilstein als Aufenthaltsort der Anna von Sachsen (1544–1577). Vom 1. Oktober 1572 bis zum  19. Dezember 1575 lebte die ehebrecherische zweite Frau von Wilhelm von Oranien auf dem Beilsteiner Schloss in Hausarrest. Sie war nicht eingekerkert und durfte in Begleitung im Garten spazieren gehen, aber das Schloss nicht verlassen. Nach mehreren Fluchtversuchen, Angriffen gegen das Personal und Suizid-Versuchen musste sie auf ihrem Zimmer bleiben.

Die psychisch schwer kranke Frau empfand den Aufenthalt in Beilstein, wo sie sich unter anderem heftig über das derbe Westerwälder Essen beschwerte, noch schlimmer als zuvor im Dillenburger Schloss, einer herrschaftlichen Residenz mit bis zu 300 Bewohnern. Sie sehnte sich danach, wieder einen eigenen Hofstaat mit über 40 Bediensteten wie zeitweise in Köln zu führen. Dabei war sie wie ihr Mann in dieser Zeit absolut mittellos.

Das grausame Ende der bedauernswerten jungen Frau, quasi lebendig eingemauert in einem dunklen Verlies in Dresden, hatte nicht Nassau zu verantworten, sondern ihr eigener Onkel August, Kurfürst von Sachsen.

Literatur:
Hans Kruse: Wilhelm von Oranien und Anna von Sachsen. Eine fürstliche Ehetragödie des 16. Jahrhunderts.
Nassauische Annalen 54, 1934, S. 1–134.
Ingrun Mann: Anna of Saxony. The Scarlet Lady of Orange. Point Pleasant, New Jersey 2016.
 

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Die Schlosskirche zu Beilstein

Auf den ersten Blick kaum zu sehen, aber die Bilder zeigen dieselbe Kirche, einmal vom Hang betrachtet, etwa auf Höhe des Schlosses, einmal vom Dorf, wobei die Aufsicht natürlich durch das Weitwinkelobjektiv verstärkt dargestellt wird.

Die unmittelbar am Schloss liegende Kirche wurde 1614–16 zur Blütezeit Beilsteins erbaut. Der Dehio spricht von der “bemerkenswerten Gestaltung einer evangelischen Predigtkirche der Spätrenaissance”. Hervorgehoben wird der “langgestreckte und sehr hohe Saalbau mit gekuppelten schmalen Renaissancefenstern im Emporengeschoss”. Ungewöhnlich ist auch der Boden aus Kieselsteinen.

Die Atmosphäre der typisch reformierten Kirche, wie sie der Verfasser selbst bei einem Adventskonzert 2016 mit dem Liedermacher Siegfried Fietz erleben durfte, ist anrührend und ungewöhnlich schön. Mit dem überladenen Barockkitsch der katholischen Kirchen im nicht weit entfernten ehemaligen Fürstentum Hadamar hat sie rein gar nichts zu tun, schon gar nicht mit den seelenlosen Neubauten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Vorbild beim Bau war die Stadtpfarrkirche zu Dillenburg.

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Ortsbild

Das Ortsbild wird bestimmt von der Kirche und einigen wenigen Fachwerkhäusern. Es gibt noch einen kleinen Park mit einem Denkmal und einen alten Turm sowie den wiederhergestellten Judenfriedhof (mit nur einem einzigen erhaltenen Grabstein). Selten sieht man noch Gärten.

An Werktagen ist Beilstein wie ausgestorben. Es gibt gar nichts, kein Geschäft, kein geöffnetes Lokal, die Kirche ist verschlossen. Wenn man durch die Gassen geht, fällt man als “Tourist” auf, falls man überhaupt von irgendjemandem wahrgenommen wird. Am ehesten ist mal noch ein Wandersmann unterwegs. Es hilft nur, ins nahe Herborn zu fahren.

Rechts Beilstein um 1830 (nach einem Stahlstich).

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Der Ulmbach

Außer der Burg ist der Ulmbach für die ganze Großgemeinde Greifenstein prägend. Das weitgehend naturnah erhaltene Ulmbachtal bietet nach wie vor idyllische Blicke. Mit der nur ein paar Kilometer von Beilstein entfernten Ulmbachtalsperre hat man die Hochwassergefahr für die Lahn gebannt und sich zudem ein kleines Naherholungsgebiet geschaffen.

Der Bach (Dialekt: “die Bach”) kommt vom Ortsteil Haiern, der 1941 eingemeindet wurde. Das mittlere und rechte Bild vom Ulmbach ist dort entstanden. Die Brücke, von der aus ich die Fotos mache, ist rund 250 Jahre alt.

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