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Sommer 2013
Dann kommt der Juni. Und mit einem Mal ist es Sommer.
Zunächst einige helle, aber noch ein bisschen frische und windige Tage. Dennoch wird der Garten wieder zum Lebens- und Erlebensraum. Ein frischer Strauß mit meinen früh blühenden Stauden. Akeleien, Bergflockenblume, Wald-Storchschnabel. Als Blickfang und Kontrapunkt ein kleiner Zweig vom Schneeball dazu.
Sogar – man traut seinen Sinnesempfindungen kaum – eine kleine Hitzewelle. Die erste Rose. Diesmal nicht die Essigrose, die der lange Winter wohl stark zurückgeworfen hat (Blüte sonst ab April!), sondern: Mary Rose.
Gegen Ende der ersten Junidekade bringen gewittrige Schauer eine Abkühlung. Samstag abend ist es, als ich lange eine Bachstelze beobachte, die vor meinem Wohnzimmerfenster auf der Straße einen lustigen Tanz aufführt. Der warme, feuchte Asphalt hat eine bestimmte, größere Fliegenart, vielleicht Maifliegen, angelockt. Das hat die Bachstelze bemerkt. In ihrem typischen, schreitenden, von Schwanzwippen begleiteten Gang, und immer wieder aufschwirrend, mit teils akrobatischen Bewegungen in der Luft hascht sie nach ihrer Beute, und auch häufig erfolgreich. Aufpassen muss die schwarz- weiß gezeichnete Stelze dabei auf die Autos, die für die Jägerin selbst eine tödliche Gefahr darstellen.
Die Rotschwänze haben in dem kalten Frühling ein Junges durchgebracht. Von meinem Sitzplatz auf der Streuobstwiese kann ich beobachten, wie unter lautem und aufgeregtem Geschnatter der erwachsene männliche Rotschwanz dem noch leicht flauschigen Jungen beibringen will, wie man von einer Warte aus, es ist typischerweise ein Zaunpfahl, Insekten hascht, indem man rasch auf die Wiese niederstürzt. Aber so schnell scheint das Junge das noch nicht zu begreifen, so dass der erwachsene Rotschwanz ihm schon mal eine Insektenbeute in den fordernd aufgerissenen Schnabel stecken muss...
Wenig später finde ich in einer Schlinge des Gartenzaunes ein ganzes Büschel ausgerissener flaumiger Federn. Da ist dem jungen Vogel wohl hoffentlich nichts Ernstes passiert.
Das Getreide unten am Feld ist jetzt hochgewachsen, aber noch ganz grün. Jedes Jahr um diese Zeit taucht dort, wo die zwei alten Birnbäume stehen, ein Distelfalter auf. Aber sonst sieht man im Garten und auf der Flur, selbst auf den mir mittlerweile bekannten Schmetterlingswiesen extrem wenige Falter – Folge des langen und kalten, bis weit in das Frühjahr reichenden Winters.
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Nach einigem, teils auch wieder feuchtem und stürmischem Hin und Her Mitte des Monats eine kurze, aber heftige Hitzewelle.
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Regentage... - aber gut zum Fotografieren.
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Am Übergangstag zu der nun folgenden, deutlich frischeren Phase, die mit Beginn der dritten Junidekade eintritt, herrscht ein diffuses Licht, das ideale Möglichkeiten zum Fotografieren im Garten bietet. Die Rosen sind nun ganz überwältigend. Die große Hitze hat die Rosenblüte förmlich explodieren lassen. Bei “Constance Spry” scheinen sich fast alle Blüten gleichzeitig geöffnet zu haben.
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Bilder aus meinem Garten im Juni 2013. Im Uhrzeigersinn: die Englische Rose Constance Spry, der cremeweiß blühende Kousa-Hartriegel, die weiße Strauchpfingst- rose, die Paeonie “Krinkled White”, die Alte Rose Kazanlik, die wilde Heckenrose, der Storchschnabel Geranium phaeum “Album”, Blick über den Garten mit der Alten Schmiede im Hintergrund.
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Es folgt eine bitter kalte Phase und Ende Juni werden die Meteorologen schreiben: “Erste Jahreshälfte extrem trüb / Weniger Sonne gab's im ersten Halbjahr noch nie / So kalt wie seit 1996 nicht mehr / Deutschland ist Europas Kältepol / Luftmassen, die kälter in dieser Jahreszeit nicht sein können...”
Pünktlich zum Monatswechsel schwenkt aber dann der Keil des Azorenhochs nach Mitteleuropa und zunächst zögerlich setzt sich der Sommer durch.
Die ersten Schmetterlinge im Garten! Es handelt sich um zwei Kleine Füchse, die an den Blüten und auf ihren schnellen Runden durch den Garten immer nah zusammen bleiben. Der eine hat schon ein größeres Stück seines rechten Flügels eingebüßt. Da hat vielleicht ein Vogel zugeschnappt. Die Flugkünste werden erstaunlicherweise dadurch nicht beeinträchtigt. Allerdings geht dieser Falter in den nächsten Tagen verloren...
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Tier- und Pflanzenleben in meinem naturnahen Garten. Im Uhrzeigersinn: Großer Kohlweißling an der blühenden Gewöhnlichen Kratzdistel, Kleiner Fuchs an der Tauben- skabiose, Ackerhummel am Zottigen Weidenröschen, Rosenkäfer am weißen Phlox und Dunkle Erdhummel am Garten-Feldrittersporn.
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Dann setzt sich ein beständiges England-Hoch durch und beschert uns den lang ersehnten “richtigen” Sommer. Es folgen viele schöne Tage mit einem fast makellosen, blauen Himmel. Wie lange ist das her?
Das Beste daran: es nicht heiß und schwül, sondern warm und trocken, dabei weht ein schöner Wind aus nördlichen Richtungen.
Viele Anzeichen deuten auf einen langen, schönen Sommer hin. Der Siebenschläfertag (tatsächlich ja wegen der Kalenderkorrektur am 7. Juli) geht in diese Richtung. Und was sehe ich am 8. Juli abends alles in meinem Garten? Erst ein Taubenschwänzchen, das meine vielen Rittersporn-Stauden umschwirrt und immer wieder an den Blüten mit den tiefen Kelchen saugt. Die kolibriähnlichen Schwärmer kommen nach meiner Erfahrung in unseren Breiten nur in beständigen und sehr warmen bis heißen Sommern vor. Sie wandern dann aus dem Süden zu (momentan haben wir Gluthitze in Spanien und heftige Gewitter über ganz Italien und dem Alpenraum). Gesehen und fotografiert habe ich Taubenschwänzchen nur in den Jahren 2003 (dem “Jahrhundertsommer”) und 2006 (dem “Sommermärchen”). Dann zieht ein Glühwürmchen seine leuchtende Spur durch die weiter fortschreitende Dämmerung. Auch ein Zeichen für warme und trockene Witterung. Als nächstes zeigt sich die Fledermaus. Und schließlich treten die ersten Sterne hervor...
An einem der folgenden Abende gelingt es mir gar, mehrere Fledermäuse am Abendhimmel zu erkennen. Es müssen zwei bis drei Exemplare sein.
Das Wetter hält sich. Es ist nun ganz so, wie die Sommer früher waren, in den 60ern und 70ern. Aber vorübergehend bringen die Nordwinde trotz weiterhin blauen Himmels eine so starke Abkühlung, dass vor allem abends eine schon herbstliche, oktobermäßige Anmutung entsteht. –
Es ist Mitte Juli. Hochsommer. Auf den Feldern reift das Getreide jetzt sehr schnell. Bald werden die ersten Mähdrescher im Einsatz ein.
Auch für mich gibt es nun einiges zu tun. Meinen Garten halte ich in einem Zustand gepflegter und kontrollierter Verwilderung, in dem neben den Rosen (hauptsächlich den Alten Rosen und Englischen Rosen) viele Stauden, auch Wildstauden, das Bild bestimmen.
Nun ist es aber an der Zeit, die völlig zugewachsenen Wege wieder gangbar zu machen und insbesondere die stark wuchernden Rosen zurückschneiden. Alle paar Jahre muss dies einmal ziemlich radikal erfolgen. Auf die lehrbuchmäßig beste Zeit des Rosenschnitts nehme ich dabei keine Rücksicht. Dadurch gab es auch noch nie Probleme.
Vor allem lege ich wieder die Wege frei, die Sichtachsen kommen wieder zum Vorschein. Die Beete mit ihrer 2005 angelegten Bepflanzung wie Inseln dazwischen. Leider wird die einsetzende Trockenperiode diesem “Ambiente” ziemlich zusetzen.
Der Kampf gegen das Unkraut will immer wieder aufgenommen werden. Da haben wir zum Beispiel die diversen Weidenröschen. Ganz besonders lästig ist das Berg-Weidenröschen (Epilobium montanum). Dieses Nachtkerzen-Gewächs ist äußerst anpassungsfähig. Notfalls wird es unter den Blättern einer Zierstaude unbemerkt nur wenige Zentimeter hoch und streut unbemerkt seine fein behaarten Samen aus, die der Wind auch noch verbreitet.
Viel leichter zu entdecken und herauszureißen ist das sehr hoch werdende und an sich durchaus attraktive Schmalblättrige Weidenröschen (Chamerion angustifolium), “Maria Bettstroh”. Allerdings verbreitet sich dieses Weidenröschen unterirdisch durch sein stark wucherndes “Rhizom” (Wurzelausläufer), so dass es sehr schwer ist, diese Pflanze wieder völlig loszuwerden.
Ganz anders behandele ich das Zottige Weidenröschen (Epilobium hirsutum). Dieses wächst in starken und recht hohen Büscheln, macht sich im Sommer schön in einem naturnahen Garten, wird stark von Hummeln besucht, breitet sich nur mäßig aus und harmoniert auch sehr gut mit meinem Rittersporn. Deshalb wird das Zottige Weidenröschen begrenzt geduldet. Vor Abflug der Samen muss ich die Triebe aber aus dem Garten entfernen, sonst könnte diese Wildstaude überhand nehmen.
Die Bezeichnung “Unkraut” hat weiter ihre Berechtigung. Ackerunkräuter haben zu weniger luxuriösen Zeiten als den heutigen zu empfindlichen Einbußen der Ernten geführt. Daran konnten Menschenleben hängen. Das Feld zu bestellen, die Ernte zu sichern und einzubringen – das war früher zu einem großen Teil auch Kampf gegen die Natur, und zwar “im Schweiße des Angesichts”.
Beim Gärtnern ist es ähnlich. Anlage und Pflege eines Gartens (“hegen und pflegen”) bedeuten immer: “selektieren”, heißen immer: “wer behält die Überhand”? Unkraut und Schädlinge oder mein Garten und ich?
Das gilt auch in einem naturnahen Garten. Hier ist der Gärtner noch viel mehr gefordert, da er in solch einem Gartentypus zwischen unerwünschten Pflanzen und Eindringlingen einerseits (“Unkräutern”) und begrenzt geduldeten und gar geförderten Wildpflanzen (“Wildkräutern”) andererseits unterscheidet.
Neu in meiner Kollektion der tolerierten und begrenzt gewünschten Wildstauden ist die Gewöhnliche Kratzdistel. Dabei passe ich auf, die Blütenköpfchen vor Abflug der Samen zu kappen, um einer übermäßigen Verbreitung vorzusorgen.
Jedes Jahr etwas mehr verbreitet sich – von mir unterstützt – eine mittelhohe Rittersporn- Art, die ich als Garten-Feldrittersporn (Consolida ajacis) oder einfach Garten-Rittersporn bestimmen kann. Hier sind wir an der Grenze zwischen Wildstauden und “Kultivaren”, also Kultur- bzw. Zierpflanzen. Denn der Garten-Feldrittersporn ist in unseren Breiten verwildert, wird aber auch – wie von mir – gezielt im Garten gehalten. Wissenschaftlich nennt sich das: “in Einbürgerung befindlicher Neophyt und Kulturpflanze”.
Der Kirschbaum trägt so wie noch nie. Es macht sich jetzt deutlich bemerkbar, dass vor zwei Jahren die Fichte weichen musste, die Licht, Raum und Wasser wegnahm. Oft sitze ich in diesen fast sorgenlosen Tagen auf meinem Platz unter diesem Baum, der voller roter, saftiger und wohlschmeckender Früchte hängt.
Mein Gefährte in diesen Tagen ist der Hausrotschwanz, immer von Warte zu Warte fliegend und bei der Ausschau nach Beute gespannt mit dem Schwanz wippend. Ein Blaumeisenpärchen ist öfters zu sehen. Und dann laufen die Distelfinken wieder groß zu Form auf. Ähnlich variationsreich und den Kanarienvögeln vergleichbar, aber doch etwas feiner in den Koloraturen ist der Gesang des Bluthänflings. Und dann sind da noch die hellen, zwirbeligen und kurzen Strophen des Girlitz.
Völlig ihr eigenes Leben führen die Schwalben. Eine “Bande” von sechs bis sieben, manchmal bis zu zehn Schwalben führen abends in Sturzfliegermanier und begleitet von ihrem typischen, schrillen Kreischen atemberaubende Kunststücke vor. Es scheint sich um etwas Spielerisches, vielleicht einen Wettbewerb, zu handeln. Oder sind sie vielleicht einem besonders dicken Brummer “auf den Fersen”? Im Städtchen sonntag morgens ein noch größerer Trupp bei ähnlichen Runden immer am Turm entlang, jetzt so laut, fast ohrenbetäubend schrill.
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Beim Aufräumen finde ich Getreidekörner im Schuppen. Da haben die Mäuschen Ernte gehalten. Auch Ahorn-Flieger und einige kleinere Samen von anderen Pflanzen kann man in dem “Lager” entdecken. Den Weg der Körner kann ich zurückverfolgen bis zu einem frühen Samstag morgen im August 2011... Und kann man nicht alle Körner, die irgendwo auf der Erde geerntet werden, jedes einzelne, auf die allerersten zurückgeführen, die von Menschen gesammelt und ausgebracht wurden? –
Unten am Weg betrachte ich oft die Felder. Was ist mit dem Saatgut der Bauern passiert? Auf einem Feld stehen Gerste und Weizen durch- einander, ein anderes mit sehr viel Roggen-Trespe, dann sehe ich noch den Gemeinen Windhalm (eine Gräserart), die Acker-Hunds- kamille und ein Feld großflächig verseucht mit einer Wickenart. Es wurde vielleicht des ökologischen Landbaus zu viel getan. -
Hier in der rechten Spalte Bilder vom Hof. Der Rittersporn besiedelt jede Ritze. An der Mauer zum Nachbargrundstück lasse ich kon- trolliert Wildstauden wachsen, die eine “grüne Grenze” errichten. Hier die Moschusmalve mit Glockenblumen, Goldrute und Wildrose.
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Wo bleiben die Stare? Sind sie noch vor ein paar Jahren lärmend in die Kirschbäume eingefallen, gibt es sie diesen Sommer hier in der Gegend scheinbar gar nicht. (Einige Wochen später entdecke ich einen Schwarm bei der Kuhweide. Da hatten sie wohl im Hochsommer noch ertragreichere Pfründe entdeckt als hier in der Ortsmitte.)
Die lärmenden Spatzen in der mächtigen Kiefer des Nachbar-Grundstückes. Hin und wieder feines Wispern von unbestimmt bleibenden Singvögeln. Das Rufen des Rotmilans, teils aus schwindelerregenden Höhen, teils sehr tief über dem Dorf. Eines Tages stößt gar ein mächtiges Exemplar im Nachbarort vor meinem Wagen auf die Straße hinab, um sich etwas zu krallen und sich mit wenigen Flügelschlägen wieder in die Lüfte zu erheben.
Nun zeigen sich auch immer mehr Schmetterlinge. Zwei Raps-Weißlinge und ein Kleiner Kohlweißling am Lavendel. Später zusammen bei der Balz. Ei, das wird aber nicht funktionieren! Es kommen nun auch seltenere Arten in den Garten bzw. solche, die man nicht oft in Gärten sieht: der Braune Waldvogel, das Große Ochsenauge. Ein sehr heller Bläuling, vielleicht ein Faulbaum-Bläuling, ist mehrmals kurz zu sehen. Ein Admiral wischt flatternd vorbei. Ein Tagpfauenauge nimmt immer viel zu kurz Platz auf der weiß blühenden Hortensie. Ein Landkärtchen, ein C-Falter.
Und vom Speicher muss ich vier Kleine Füchse retten und in die Freiheit entlassen. Einige Tage später befreie ich erneut einen Kleinen Fuchs. In der Hand fühle ich (ich packe die Schmetterlinge immer so weit wie möglich am Flügelansatz), was für einen kräftigen Flügelschlag so ein Falter haben kann. Ich lasse das Speicherfenster nun auf. An den Folgetagen erneut mehrere Exemplare dieser Schmetterlings-Art auf dem Speicher, der nun sehr heiß ist. Die können doch jetzt noch kein Winterquartier suchen? Dann nochmals einer im Schlafzimmer.
Wir haben nun Mitte Juli und einen Sommer, wie er in Deutschland nur alle paar Jahre mal vorkommt.
Diese Stunden auf dem schattigen Sitzplatz unterm Kirschenbaum. Der köstliche, erfrischende, nördliche Wind. Diese unvergleichliche Stimmung. Für einen Moment scheint die verlorene Zeit wiedergefunden. All die Sommer, all die Fahrten, die schönen Urlaubsreisen, die tollen Strände. Alles ist auf einmal wieder da. Nichts tut weh.
Abende bei spät einsetzender und lang anhaltender Dämmerung, auf die ein sternen- klarer Himmel mit einer “Luft wie Seide" folgt.
Tagsüber, wenn man im Garten am Lavendel vorbei geht, der trockene, ätherische, heiße Duft der Provence.
Später übernimmt der Phlox das Regiment. –
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Im Uhrzeigersinn: Taubenschwänzchen im Gegenlicht, der reife aufgesprungene Blütenstand der Gewöhnlichen Kratzdistel, die Floribundarose “Old Port”, eine Libelle und das Große Ochsenauge mit geöffneten Flügeln.
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Es ist die Zeit der magischen Daten. Der 14. Juli ("mein" Feiertag). Der 20. und der 22. Juli.
Am 19. Juli, samstags vormittags im Garten. Der ganze Lärm ist erstorben. Nur der sachte Wind in den Blättern, die leise und vorsichtig zwitschernden Vögel, die summenden Insekten, Kinderrufe von irgendwoher, Wortfetzen von Gesprächen aus der Nachbarschaft, nur wenige Autos auf der Straße. Dafür mehr als gewöhnlich Passagierflugzeuge hoch oben, die die Touristen jetzt in die Urlaubsregionen bringen. (Für diese Majorität der “50 Millionen” treten “Urlaubsmediziner” und “Urlaubs- psychologen” im Radio auf und erläutern dem wissbegierigen und staunenden Publikum genau, was man beim Verreisen alles richtig machen sollte. Sogar im Urlaub befolgen die Deutschen pflichtbewusst und eifrig die Regeln, in der Erwar- tung, maximale Erholung zu erreichen. Ein anderer Psychologe verteidigt auf einem anderen Sender diejenigen Urlauber, die immer wieder zum selben Ort reisen. Die Radiojournalistin fragt verblüfft, fast erschrocken, ob diese Menschen denn nicht “was verpassen”. – Wer tritt für die diskrimierte Minderheit der 30 Millionen ein?)
Die Luft ist nun kurzzeitig noch schöner und klarer, nachdem der Wind auf östliche Richtungen gedreht hat.
Am 21. Juli viele wunderbare Aufnahmen von Schmetterlingen. Die Großen Kohl- weißlinge an der Distel, das Große Ochsenauge am Lavendel – und dann erscheint wieder das Taubenschwänzchen, der von mir vor zwei Wochen schon so gesehene Vorbote eines heißen, langen und trockenen Sommers.
Am 22. Juli ist Vollmond. Diese Phase markiert den Höhepunkt des Hochsommers – und doch auch schon den bevorstehenden Übergang in den Spätsommer. Und tatsächlich sehe ich am 23. Juli die ersten herbstlich gefärbten Blätter, die der Kirschbaum abgeworfen hat.
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Farben und ausgewählte Motive weisen auf einen ländlichen Garten und auch auf die Jahreszeit hin. Es ist Spätsommer und langsam naht der Herbst.
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Das Wetter ändert sich grundlegend. Die Luft kommt nun nicht mehr aus Norden, sondern aus Süd bis West. Es folgt eine sehr wechselhafte Witterungsperiode, in der sich mäßig warme und heiße Temperaturen ständig abwechseln. Es ist – bei Südwest- bis Westströmung – oft schwül und es fallen auch mal wieder Niederschläge oder – bei Südströmung – wird trockene Luft aus der Sahara hin nach Deutschland befördert. Die Tropfen, die danach fallen, hinterlassen den Wüstenstaub, den die Luft zu uns geweht hat, deutlich auf dem gewaschenen Auto.
Am 1. August ein absolut makelloser Himmel, wie er blauer nicht sein könnte. Eine heiße, trockene Luft und glasklares Licht, sehr an die Provence erinnernd. Alles in der Natur wirkt leuchtend, plastisch und zum Greifen nah. Zeit für Rhein- und Moselromantik.
Am 2. August wird es 34° warm. Das dürfte der Rekordwert seit 2006 sein.
Es ist jetzt sehr trocken im Garten. Eine Biene hat auf dem Gartentisch meine Wasserschale entdeckt, in der immer eine Rosenblüte schwimmt, und von wo sie jetzt, sich geschickt am Rand haltend, Flüssigkeit aufsaugt. – In der Gartenerde bilden sich an einigen verdichteten Stellen Risse. Letztes Jahr gab es noch aufgrund des mehrjährigen feuchten und trüben Wetters Probleme mit Lebermoos, das sich anschickte, Bereiche des Gartens zu erobern. Das Lebermoos lässt sich nun nicht mehr blicken...
Nachdem Mitte der ersten Augustdekade eine Störung durchgezogen ist, zunächst ruhiges, mäßig warmes und nach der Hitze extrem entspannendes spätsommerliches Wetter. Die köstliche Frische und Kühle der Luft gibt nun schon einen Vorahnung auf den Herbst. Es gibt sogar für einen (!) Tag Regenwetter.
Wieder ein Kleiner Fuchs auf dem Speicher. Bei der nun kühleren Luft halte ich das Speicherfenster geschlossen und kann deshalb die Schmetterlinge nicht mehr dort oben lassen. Sie würden vertrocknen. Dieses Exemplar nun scheint fast am Schlafen oder benommen, als ich es vorsichtig von der Wand bzw. dem Fensterrahmen abhebe. Auf meiner ausgestreckten Hand am Speicherfenster kann ich den Schmetterling ganz genau und nah beobachten. Das menschliche Auge ist doch immer noch viel besser als ein teures Makro-Objektiv. Wie sich die feinen Härchen am Rumpf und Fügelansatz im Wind bewegen. Die gefleckten Augen. Dann fährt er mehrmals den Rüssel aus. Um ihn zu testen? Oder hat er großen Durst? Der Falter pumpt ein bisschen, dann schwebt er in den Hof hinab (wo ich später einen toten Kleinen Fuchs finde, der mir aber ein kleineres Exemplar zu sein scheint). – Das Leben der Schmetterlinge... Von Blüte zu Blüte fliegen, Nektar saugen, dabei die für die Menschen so wichtigen Blüten bestäuben, den Feinden entkommen, einen guten Schlafplatz suchen oder bei einigen Arten sogar eine geeignete Stelle zum Überwintern, und einen Partner zum Kopulieren finden. Als Männchen hat man dann seine Schuldigkeit getan, als Weibchen gilt es, die Eiablage geschickt genug anzustellen. Und sterben. Die nächste Generation trägt das Erbgut weiter. Und dann noch dafür da sein, dass sich die Menschen, die mit ihren Händen so unver- gleichlich viel mehr machen können und sich mit ihren im Vergleich riesigen Gehirnen so phantastische Sachen ausdenken, an ihnen erfreuen mögen. Und dennoch: die Schmetterlinge sind so viele Jahrmillionen länger auf der Erde als das Menschen- geschlecht. Die Frage ist nur, wer wen überlebt. –
Die Trockenheit setzt sich fort.
Bei heiter bis wolkigem Wetter spätsommerliche Tage, wie sie schöner nicht sein könnten: kühle Nächte, frische Morgen und warme Nachmittage.
Schon längere Zeit, fast den ganzen Sommer, ist es derselbe Ablauf. Der Keil des Azoren- hochs weitet sich nach West- und Mitteleuropa aus. Hier bildet sich eine eigene Hochdruck- zelle, die nach Osten triftet. Nun haben wir zwei Hochs, zwischen die in wechselnden Abständen, aber immer nur abgeschwächt und kurzzeitig, Ausläufer des Islandtiefs nach Deutschland herein ziehen. Dann weitet sich das Azorenhoch wieder bis in unsere Regionen aus und das sommerliche Wetter stabilisiert sich schnell wieder. Unterbrochen war dieser Rhythmus nur zwei Mal, als zwischen einem Hoch und einem Tief heiße Sahara-Luft nach Deutschland gepumpt wurde. Mit “Klimaerwärmung” hatte dieser Effekt allerdings nichts zu tun: im Gegenzug geriet kalte Luft über die komplette Iberische Halbinsel.
Gegen Ende der zweiten August-Dekade zieht so ein Ausläufer des Island-Tiefs durch. Dann erneut warmes und sehr trockenes Wetter, bevor sich der Rhythmus wiederholt. Aber mit jedem Intervall merkt man, wie die Tage kürzer werden, der Sonnenstand tiefer, die Luft frischer, die Temperaturen niedriger, mit einem Wort: herbstlicher. Bald werden die Nachttemperaturen zum ersten Mal wieder im einstelligen Bereich liegen.
An einem dieser Übergangstage malt der große Meister da oben mit dem großen Pinsel Vermeer-Wolken in den Himmel, die sich über der Hospital-Kirche auftürmen und den Betrachter in Erstaunen versetzen.
Am Monatsende – wenn man genau hinsieht – allererste Anzeichen der Herbstfärbung in Natur und Garten.
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