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Herbst 2013
Der September bringt zunächst ein paar wenige, etwas frischere Tage. Um Neumond herum nochmals tosende Sommerhitze.
Hochbetrieb an den Goldruten, die sich am Zaun zum Nachbarhof auf lebensfeindlichem Terrain in engen Spalten zwischen Asphalt und Beton langsam aber schier unverwüstlich ausbreiten und bereits eine kleine Hecke bilden. Es handelt sich um die Riesen-Goldrute (oder Späte Goldrute), also ein an für sich geächteter “Neophyt”. Typisch für diese Pflanze sind die in den späten Sommertagen unzähligen und von den Säften der Blüten magisch angezogenen Fliegen- und Schwebfliegen-Populationen. Zu ihnen hat sich eine bedrohlich wirkende Hornisse gesellt. Immer wieder vorstoßend, dabei eigentlich nicht sehr wendig, versucht das tückische Biest, Beute unter den im allgemeinen sehr aufmerksamen Fliegen zu greifen, um sie seiner karnivorischen Brut zuzuführen. Hoffentlich erwischt die Hornisse, die ich über Tage hinweg immer wieder beobachte, nicht den schönen Bläuling, den ich mit Hilfe der Experten des Lepiforums als eine neue Art in meiner Bläulings-Sammlung bestimmen kann: den seltenen Kurzschwänzigen Bläuling.
Die gesamte Tierwelt ist jetzt noch mal sehr lebendig – so als wüssten sie, wie schnell diese schönen Tage vorbei sein werden. Wieder Macroglossum stellatarum. Weiße Tauben. Ein Buntspecht fliegt im Garten auf.
Die Rosen haben eine prächtige Nachblüte.
Dann bildet sich ein gigantischer Wolkenwirbel mit Zentrum über den Hebriden, dessen auf dem Satellitenfilm deutlich und beeindruckend zu sehender Ausläufer von der Straße von Gibralter bis weit hoch nach Skandinavien reicht. Das Tief zieht nach Island und seine Wolken- und Regenfront macht nicht mehr den Umweg über die Iberische Halbinsel, sondern führt kühle Meeresluft in unsere Breiten.
In der Übergangszeit, in der sich die Tiefdrucksysteme so ungünstig entwickeln, ein paar frühherbstliche, aber bei wechselnder Bewölkung erträgliche Tage.
Am 7. September haben sich auf der Kuhweide die ersten Herbstzeitlosen geöffnet und geben Hoffnung auf einen schönen Altweibersommer. Denn nach wie vor gibt es auch die zwei großen Hochdruckzellen über den Azoren und Nordosteuropa und damit die Möglichkeit, dass diese sich verbinden.
Die Brombeerzeit ist vorbei, die Mirabellen sind da und die Hauszwetschge harrt noch der uneingeschränkten Genießbarkeit.
In der Folge verschlechtert sich das Wetter für viele Tage. Es sind nun nicht mehr nur Tiefausläufer, die in die Lücke zwischen dem Azorenhoch und dem Nordosteuropäischen Hoch ziehen, sondern komplette Tiefdrucksysteme dringen in diese Bresche vor. Mit Macht dringt kühle Nordseeluft herein und beendet endgültig das Spektakel des Sommers 2013.
Danach abwechslungsreiches, teils turbulentes Wetter mit Donner, Starkregen und Hagel. Es ist vollends Herbst geworden...
Erst kurz nach Vollmond, zu Beginn der zweiten Septemberdekade, setzt wieder eine Hochdruckphase ein. – In der ruhigen frühherbstlichen Stimmung noch mal den Kaffee im Garten zu sich nehmen. Lesen. “À la recherche” und die neue Leib- und Magen- zeitschrift: die “Nassauischen Annalen”.
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Es ist Anfang September 2013. Typische Farben für diese Zeit des Jahres. Nachblüte der Englische Rose Golden Celebration, der seltene Kurzschwänzige Bläuling auf den Blüten der Goldrute und die Blätter des Waldstorchschnabels mit der beginnenden Herbstfärbung.
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Immer wieder fallen mir in diesen Tagen zwei Admirale auf, die genüsslich um das Fallobst herumsegeln, an dem sie sich häufig niederlassen, um die süßen Säfte zu schlecken. Überhaupt war alles Obst dieses Jahr überreichlich.
Und da sitzen eines Morgens doch die Stare, die sich wohl auch für das Obst interessieren, in der Nachbarschaft auf dem großen Thuya-Baum.
An meinem 2004 vom Höhenblick fast noch als Schößling mitgenommenen Walnussbaum die ersten zwei, aber noch nicht ausgereiften Früchte, deren Verzehr später leider die Wildtiere für sich in Anspruch nehmen sollten...
Es ist nun Ende September. Die voll erblühten Herbststauden und das sich färbende Blattwerk wiegen sich unter einem strahlend blauen Himmel in einer aus östlichen Richtungen wehenden, klaren und frischen Brise. In Momenten entsteht ein ein geradezu sirrendes Licht. Die Hagebutten der Wildrose leuchten wie Rubine auf.
Leider wird der Wind um den Monatswechsel zum Oktober herum recht ruppig und kalt.
Unten am Hang. Endlich gelingt es mir, die Vögel zu bestimmen, die mir hier schon seit Jahren in großer Zahl auffallen und die solch einen weichen, beigen Ton mit leicht gestreifter Oberseite und heller Bauchunterseite haben. Es ist die Feldlerche, die sich das ganze Jahr über in dieser Gegend aufhält. Dass dieser Singvogel auch in Schwärmen auftritt, war mir bisher nicht klar, da man sie meist mit ihrem einzeln unternommenen “Singflug” identifiziert. Der oft im Schwarm unternommene “Normalflug” ist hingegen weich, führt eher horizontal von Feld zu Feld, dabei mittelgroße Auf-und-ab-Bögen machend und leicht flatternd. Jetzt in dieser Jahreszeit durchkämmen die Lerchen zuhauf die frischgeeggten Felder, nach Insekten (und auch Körnern?) suchend. Im Winter sitzen diese Vögel gerne in den Weißdornbüschen, dabei scheu und immer in Deckung bleibend.
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Farben des Herbstes: von Braun, Ocker- gelb, Lindgrün nach Scharlachrot. Farb- kleckse durch das Schwarz-rot-weiß des Admirals und das Lila-Blau der Pflaume. Sowie ein Sitzplatz, der für diese Saison bald ganz aufgegeben wird.
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Nach dem Durchzug eines Regengebietes zunächst ein paar wenige milde Tage – und dann bildet sich die von allen Modellen vorhergesagte und von den Wetterfröschen freudig verkündete Hochdruckbrücke nicht. Stattdessen zieht ein Tiefdruckwirbel von Norden herein und dreht, eingekeilt zwischen mehreren Hochs, seine Kreise über Deutsch- land. Der “Goldene Oktober” scheint dieses Jahr auszufallen. An vielen Tagen bleiben die Höchsttemperaturen deutlich im einstelligen Bereich – also eher schon winterlich.
Andere Meteorologen nennen so ein Tiefdruckgebiet jetzt einen “Kaltlufttropfen”. So oder so ist er böse. Denn nachdem er nach Westen gezogen ist, kommt er zurück...
Aber dann etwas überraschend doch noch einige sonnige und sehr milde Tage. Ungewöhnlich milde Luft aus dem Süden zaubert bei den herbstlichen Farben eine Stimmung hervor wie in einem Wunderland.
Im Park der Universitätsstadt. Angestrahlt von der schräg stehenden Sonne segeln im Südwind goldene Herbstblätter sachte von den Bäumen, in einer würzigen Luft, der auch etwas Modriges anhaftet, das vom Boden ausgeht, wo Laub, Eicheln und Kastanien in der Feuchte zart vor sich hin gären.
Am 19. Oktober fliegen die ersten Kraniche. Sieben Schwärme, der zweite davon ein riesengroßer, lassen sich unterscheiden.
Zu Beginn der zweiten Oktoberdekade ein paar Tage fast sommerliches Wetter. Der Meteorologe im Radio klärt darüber auf, dass die Luft jetzt aus Marokko kommt (eine Parallele zum Oktober des vergangenen Jahres). Hier auf 350 m Höhenlage am Rand des Limburger Beckens werden knapp über 20° Celsius erreicht. Recht bald ziehen aber schon wieder Störungen durch.
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Den Rest der dritten Oktoberdekade ist es meist wolkig oder trüb. Die Herbstfärbung hält lange an, da es noch gar nicht gefroren hat. Lässt man jetzt den Blick über die Wälder und Hecken streifen, heben sich die verschiedenen Baumarten viel besser voneinander ab als im Sommer, da sie sich in Ton, Zeitpunkt und Fortschreiten der Färbung deutlich unterscheiden.
Nach einem stürmischen Intermezzo (dräuend wie nie gesehen ziehen graue und mächtige Wolkenfelder übers Lahntal) setzt sich für längere Zeit eine wechselhafte und insgesamt milde Westströmung durch.
Am 31. Oktober nochmals mehrere große Schwärme Kraniche. Unten am Feld ist ein Schwarm ganz tief und direkt über mir. Sehr schön kann man die kraftsparende Flugtechnik erkennen. Die Schwingen gehen nur ganz leicht und immer wieder werden kurze Segelphasen eingelegt. Es ist immer dieselbe Tageszeit, wenn die Kraniche hier fliegen: ab 17.00 MEZ für rund 2 h. –
Von einem noch jungen, offenbar wild gewachsenen Birnbaum am Rand der Landstraße in der alten Heimat geschüttelte Birnen. So köstlich – wie nie zuvor. Noch frische Walnüsse von den Bäumen des kleinen Parks der Wohngemeinde. Die Gaben der Natur. Gibt’s was Schöneres?
Gegen Ende der 1. Novemberdekade wieder sehr milde Tage. Die Zweifel an der angeblichen “Klimaerwärmung” bleiben bestehen. Aber dass um die Zeit noch Kühe gemütlich auf der Wiese stehen und am frischen Grün rupfen, war früher undenkbar.
Am 11. November, es ist der Beginn einer kühleren Witterungsperiode mit einer Vorahnung des Winters, um 17.30 Uhr unten am Feld nochmals mehrere Schwärme Kraniche, die unter dem Mond hinweg in das letzte Abendrot fliegen. – Auch um 18.45 Uhr noch mal vereinzelte Rufe von einem mittlerweile durch einen Zweidrittelmond nur fahl erleuchteten, abendlichen Novemberhimmel. Später ist der Himmel sternenklar, als erneut Kraniche fliegen. Dann ziehen die schönen und eleganten Vögel wieder an den beiden folgenden Nachmittagen.
In dieser Wittterungsperiode schenkt uns die Natur einige klare und sonnige Tage. Ein neuer Begriff wird geprägt: “Goldener November”.
Am 21. November ist – ganz typisch für genau diese Zeit des Jahres – zum ersten Mal ein bisschen Schneeeregen in der Luft, was zunächst ein Einzelereignis bleiben sollte.
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