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Herbst 2012
Die erste September-Dekade bringt wunderbares, spätsommerliches Wetter. Einige Tage, wie man sie sich nur wünschen kann. Heiter bis wolkig, viel Sonne, trockene Luft, aber schon frische Nächte.
Am 2. September ein ganz faszinierender Satellitenfilm. Mediterrane Luftmassen aus Südosten prallen mit Luft aus Nordwesten direkt über Deutschland zusammen. Es bilden sich dabei über Europa riesige, langgestreckte Wolkenbahnen, wie ich es noch nie gesehen habe. Die sind auch von unten deutlich zu erkennen. Eine dieser Bahnen leuchtet im Abendrot auf und bildet eine langezogene Leuchtspur.
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Erst am 7. September holen die Mähdrescher die letzten Ähren von den Feldern – Folge des verzögerten Wachstums des Getreides wegen der bitteren Frostwochen im Februar und der winterlichen Witterung im April.
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Die Spätsommer- und Herbststauden sind zu Form aufgelaufen. Und jetzt endlich Schmetterlinge im Garten. An den Herbstastern mehrere Weißlinge, ein Kleiner Fuchs. Auf der Wiese und typischerweise in der Nähe der schon vom Baum gefallenen Pflaumen: ein Admiral (ein schönes, großes Exemplar) und ein C-Falter.
Dann sogar zwei richtiggehend hochsommerliche Tage mit einem heißen Wind aus Süden, wie es im September eigentlich nicht mehr sein dürfte. Erinnerungen an den heißen September 2003 werden wach.
Dann plötzlich: Herbst.
Nachdem der erste Schock des Temperatursturzes verdaut ist, folgen Mitte der zweiten Septemberdekade einige schöne, klare und sonnige Tage. Köstlich, wie angenehm kühl und trocken die Luft ist.
Ein regelrechtes Schauspiel bieten die Schwalben dar. Massenhaft schwirren sie in der Schneise der Gasse herum.
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Das kleine Röschen Little White Pet mit einer schönen zweiten Blüte.
Typische Herbst-Szenen in einem ländlichen Garten: Admiral und Kleiner Fuchs an den Herbstastern.
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Ich liebe es, nun nochmals im Garten zu sitzen, auf meinem Platz in der Streuobstwiese, bei Kaffee und Cantuccini in der “Suche nach der verlorenen Zeit” zu lesen, den summenden Insekten zuzuhören, den beiden Admiralen zuzusehen, die mit ihren samtschwarzen Flügeln, auf denen die herbstlich schräg einfallenden Sonnenstrahlen ein rotes und ein weißes Band aufleuchten lassen, zwischen den Pflaumenbäumen herumflattern, natürlich auch selbst von den jetzt reifen Pflaumen zu naschen, während die wurmstichigen inzwischen heruntergefallen sind, und auch die Vögel zu beobachten, die sich auf der kleinen Wiese einfinden. Neben denen, die immer da sind, tauchen ein Kleiber, ein Specht, eine Elster und Stare auf. Und beim Satzbau färbt wohl Marcel Proust ab.
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Dann kommt Polarluft.
Der weitere Verlauf des Septembers ist wechselhaft. Am 24. September der erste Herbststurm bei ganz eindrucksvoller, ja geradezu aufregender Bewölkung. Ein Himmelsspektakel.
In der Folge wird es herbstlich.
Genau um den Monatswechel herum zwei Goldene Oktober- tage. Am 30. September breche ich vormittags die Fahrt ins Städtchen ab, weil es neblig wird. Umkehr, eine andere Route und in die Mittelgebirgslagen. Strahlender Sonnen- schein, kühle, klare und frische Luft, wie sie schöner nicht sein könnte. Von der Höhe sieht man im Lahntal dichten Nebel wabern und fühlt sich wie ein König.
Intensive Erinnerungen an dieselbe Kalenderwoche vor 11 Jahren. Der Praktikumsbesuch unten in diesem Ort, gerade nur auf der anderen Seite der Hügel. Und das Leben Am Höhenblick zu dieser Zeit.
Auf der Bergwiese ein erkleckliches Vorkommen am Gemeinen Heufalter (“Goldene Acht”), den ich erstmals fotografieren kann.
Der Oktober bringt ein Wechselspiel, wie es dieses Jahr so oft der Fall war. Ein paar schöne, klare Tage, ein paar wechselhafte Tage – mit immer wieder beeindruckender und staunenmachender Bewölkung.
Und dann setzt sich nach Neumond, gegen Ende der zweiten Dekade, doch noch der Goldene Oktober durch, und wie! Endlich hat sich die Wetterlage umgestellt. Ein riesiges Hochdruckgebiet über Osteuropa lenkt warme, warme Saharaluft nach Deutschland.
Der Himmel ist zunächst milchig-blau. Temperaturen von knapp 20° in der zweiten Oktoberhälfte sind sicher kein Beweis für eine Klimaveränderung, aber sehr angenehm und willkommen.
Es fühlt sich noch mal fast wie Sommer an. Abends ein bisschen im Garten. Aber die Garagenwand hat keine Wärme mehr gespeichert, der Sonnenstand hat sich schon sehr verändert. Im Gegenteil fangen jetzt die Tage an, an denen der Weg an der Garage nie richtig trocken wird.
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Kleiner Kohlweißling (oben) und Rapsweißling (unten) können leicht miteinander verwechselt werden. Bei genauerem Hinsehen erkennt man jedoch beim Rapsweißling die um die Adern herum stark bestäubte Unterseite der Flügel.
Schöne Nachblüte: die Malven.
Schnell von Westen vorüberziehende Wolkenfetzen werden dramatisch von der untergehenden Sonne angestrahlt.
In meinem Garten hat sich der (giftige) Kleine Holunder angesiedelt. Ich muss versuchen, ihn wieder loszuwerden.
Kirsch- und Apfelblätter.
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Nochmal der Große Wagen, der gegenüber den Sommerabenden schon ein Stück nach Norden gezogen ist. Aber was für ein Unterschied zum vorherigen Abend, als dieses Sternenbild am Himmel von Hunawihr fast ohne Lichtverschmutzung geradezu prangte, beeindruckend, ehrfurchtgebietend und wie zum Greifen nah. Wie viele Generationen von Menschen haben diese Sterne über den Vogesenkämmen gesehen...
Der Südwind bringt auch feinen Sahara-Sand mit. Auf dem Auto bildet sich eine Staubschicht. Und morgens, wenn der Scheibenwischer energisch die Wassertropfen zur Seite schiebt, läuft beiges Wasser herab. Auch am ins Bräunliche gehenden Morgen- und Abendrot erkennt man den Staub in der Atmosphäre.
Dann dreht der Bodenwind auf östliche Richtungen und der Himmel wird strahlend blau. Der Sitzplatz im Garten wird noch mal hergerichtet. Kaffee und Kuchen inmitten flammender Farben und wärmender Sonne. Nachmittags ist es wie im Süden. Ja, im Süden...
Auch der Nachthimmel ist nun klar. Eine Sternschnuppe, rasend schnell und sehr hell. Der übliche Wunsch... Kraniche rufen irgendwo ganz sanft und zaghaft.
Die Tierwelt in diesen Tagen. Die ihren typischen Ruf ausstoßenden Milane in schwindelnden Höhen, die ihre Kreise im Schein der Laterne ziehende Fledermaus, die zunehmend jede Scheu verlierenden Eichhörnchen. Sie kommen bis zum Hauseingang des Nachbarn. Sogar im Städtchen turnt ein Exemplar am hellichten Tag über Straßen und Gehsteige.
Auf die schönen Tage folgt zuerst Nebel und dann ein empfindlicher Temperaturrückgang auf schon fast winterliche Verhältnisse.
Im Satellitenfilm sieht man beeindruckend, wie nordische und mediterrane Luftmassen diametral aufeinanderprallen. In der regenreiche Knautschzone – liegen wir... Was heißt “Regen”? Am letzten Oktoberwochenende gibt es einen Wintereinbruch. Innerhalb weniger Tage gibt es einen Temperatursturz um fast 20°. Gleichzeitig erfolgt die Zeitumstellung. Und so wird man auf selten brutale Weise in die dunkle Jahreszeit hineingestoßen.
Der Monatswechsel und darüber hinaus ist wieder auf für die Jahreszeit „normalem” Niveau. Mal ist es recht mild und freundlich, mal nass und ungemütlich.
Am späten Nachmittag des 3. November ein flammendes, kaum einmal so gesehenes Abendrot. Loderndes Feuer lässt eine ungemein dramatische, ständig wechselnde Bewölkung aufleuchten. Nicht nur zersauste Wolkenränder werden von der unter- gehenden Sonne angestrahlt, nein, orangerote Streifen ziehen sich über den ganzen südwestlichen Himmel. Einmal mehr fallen mir auch die satten aubergine-farbenen Töne der Wolken auf.
Der November bringt ruhiges herbstliches Wetter. Am 13. November fliegen Kraniche, ziemlich spät.
Im weiteren Verlauf bleibt es bei dem ruhigen, vielfach nebligen und bei Temperaturen von meist nur wenigen Grad über Null schon fast frühwinterlichen Wetter.
Eine sich anschließende, kurze und milde Periode hat mit einem am Totensonntag aus südwestlichen Richtungen heranziehenden Sturm ihren Höhepunkt. Die letzten Herbst- blätter werden von den Bäumen gerissen, steigen in den Straßen vertikal in die Höhe oder sammeln sich in Wirbeln im Hof. Dann reißt der Himmel auf und es scheint die Sonne.
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